EY-Befragung zur digitalen Pflege in Österreich Digitalisierung als möglicher Ausweg aus der Pflegekrise: Österreicher:innen haben hohes Interesse an digitalen Pflegemöglichkeiten Von der elektronischen Patientenakte und Telemedizin über geortete Armbänder mit Sturzsensoren für den Notruf bis hin zum intelligenten Pflegebett: Digitale Möglichkeiten zur Pflegeunterstützung werden in Österreich bisher noch zu wenig genutzt Hohes Interesse an allen digitalen Möglichkeiten zur Erleichterung der Pflege gegeben, vor allem am Armband für den Notruf (85 %) Hohe Kosten und reduzierte soziale Interaktion sind ein häufiger Grund für die noch geringe Nutzung Das Interesse an Robotern zur Haushaltsunterstützung ist groß, sie werden aber derzeit noch selten eingesetzt Wien, 4. Mai 2021. Der Mehrheit der Österreicher:innen bereitet das Thema Pflege Sorgen (58 %), wie eine aktuelle EY-Umfrage zeigt. Vor allem Frauen und ältere Personen zerbrechen sich darüber den Kopf, nur jeder zehnte Befragte (11 %) denkt nicht über die Pflege nach. Fast zwei Drittel (61 %) der Österreicher:innen sind überdies bereits mit dem Thema Pflege in Berührung gekommen. Viele nehmen die Pflege ihrer Angehörigen selbst in die Hand – mehr als die Hälfte der Pflegebedürftigen (53 %) wird aktuell zuhause betreut. „Wir stehen hier in Österreich genau wie viele andere Länder auch vor einer schwierigen Situation: Einerseits nimmt durch den demografischen Wandel der Anteil der Pflegebedürftigen in der Gesellschaft rasant zu, andererseits stehen immer weniger Ressourcen zur Deckung dieses Bedarfs zur Verfügung. Die Pflege ist eines der zentralen gesellschaftlichen und politischen Themen unserer Zeit“, so Christian Horak, Partner bei EY-Parthenon, der globalen Strategieberatung von EY. Eine mögliche Lösung liegt laut dem Experten in der Digitalisierung. Wie es beim Thema digitale Pflege um die Akzeptanz der Bürger:innen steht, wurde nun in einer Umfrage der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY unter 1.000 volljährigen Österreicher:innen erhoben. Die Studie ist repräsentativ für die Gesamtbevölkerung in Österreich. Von der elektronischen Patientenakte bis hin zur Telemedizin: Digitale Maßnahmen zur leichteren Zusammenarbeit mit Gesundheitseinrichtungen stoßen auf hohes Interesse Auf hohes Interesse stoßen digitale Maßnahmen zur Erleichterung der Zusammenarbeit mit Gesundheitseinrichtungen und -personal, und zwar sowohl im Einsatz bei der Pflege von sich selbst als auch zur Pflege von Familienangehörigen. Rund drei Viertel könnten sich vorstellen, die elektronische Anamnese (bei sich selbst: 76 %; bei Familienangehörigen: 77 %) bzw. die elektronische Patientenaktie (76 % bzw. 78 %) einzusetzen. Etwas geringer ist das Interesse an Online-Sprechstunden beim Arzt – nur etwa zwei Drittel können sich vorstellen, auf diese Alternative zu vertrauen (63 % bzw. 66 %). Eine elektronische Dokumentation der konsumierten Pflegeleistungen ist für rund 70 Prozent der Österreicher:innen vorstellbar (71 % bzw. 70 %). Dem hohen Interesse steht der aktuell geringe Anteil von Bürger:innen gegenüber, die digitale Pflegemaßnahmen zur erleichterten Zusammenarbeit mit Gesundheitseinrichtungen und -personal bereits einsetzen. Nur etwa jeder zwölfte Österreicher nutzt beispielsweise bereits die elektronische Patientenakte (8 %), hier überraschenderweise ein erheblicher Anteil der über 75-Jährigen (18 %). Die übrigen Maßnahmen wie Online-Sprechstunden (4 %), die elektronische Anamnese (4 %) und die elektronische Dokumentation der konsumierten Pflegeleistungen (2 %) werden aktuell kaum als digitale Pflegemöglichkeit angenommen. „Es ist erstaunlich, dass viele Menschen Interesse an digitalen Möglichkeiten zur Erleichterung der Pflege haben, diese Angebote bisher allerdings wenig genutzt werden. Hier überwiegt wohl noch die Angst vor dem Unbekannten und Neuen gegenüber den empfundenen Vorteilen. Das ist ein deutliches Zeichen an Politik und Anbieter, die Kommunikation zu verstärken, um dadurch Barrieren in den Köpfen abzubauen“, so Martin Bodenstorfer, Geschäftsführer von EY-Parthenon in Österreich. Als wesentliche Vorteile von Maßnahmen wie der elektronischen Patientenakte oder Online-Sprechstunden mit Ärzt:innen werden die Übersichtlichkeit der Krankendaten (65 %), die Zeitersparnis (56 %) und die Reduktion des bürokratischen Aufwands (54 %) gesehen. Weniger als jeder Dritte erwartet sich dadurch aber bessere Diagnosen (32 %) oder ein verringertes Ansteckungsrisiko (31 %). Vorherrschend ist hingegen die Angst, dass beispielsweise bei Online-Sprechstunden wichtige Symptome übersehen werden (55 %),und dass der Online-Kontakt persönlichen Kontakt mit Ärzt:innen nicht ersetzen (51 %) und nur bedingt bei kleineren medizinischen Problemen eingesetzt werden kann (44 %). Überwiegender Teil der Österreicher:innen würde Armband zur Aktivierung der Notrufkette einsetzen Auch digitale Maßnahmen zum Monitoring des Gesundheitszustandes wie Armbänder am Handgelenk für den Notruf, automatische Sturzerkennung oder Erfassung der Vitalfunktionen haben noch großes Potenzial. Wenn sie eingesetzt werden, dann hauptsächlich zur Pflege von Familienangehörigen. Besonders trifft das auf das Armband am Handgelenk für den Notruf zu – sogenannte Rufhilfe-Systeme, die immerhin von knapp jedem Zwanzigsten (5 %) zur Pflege von Angehörigen eingesetzt werden. Trotz des aktuell geringen Einsatzgrades sind sowohl Personen, die selbst Pflege benötigen, als auch Personen, die Pflegebedürftige in der Familie haben, an Rufhilfe-Armbändern mit erweiterten Funktionen zum erleichterten Monitoring des Gesundheitszustandes interessiert. Am beliebtesten ist das Armband am Handgelenk für den Notruf (rund 85 %). Das Armband zur automatischen Sturzerkennung könnten sich mehr als vier Fünftel der Befragten (82 %) zur Pflege von Familienangehörigen vorstellen, etwas mehr als drei Viertel (78 %) würden es auch bei sich selbst einsetzen. Als wesentlichen Vorteil von Armbändern zum Monitoring des Gesundheitszustands erachten mehr als zwei Drittel die höhere Sicherheit (69 %). Auch die Erleichterung des Alltags der Angehörigen und Pflegebedürftigen (60 %) und die Möglichkeit der Pflege im eigenen Heim (57 %) werden als vorteilhaft gesehen. Fast die Hälfte der Befragten (48 %) befürchtet jedoch, mit dem Armband durch ein unbeabsichtigtes Anrufen des Notdienstes Kosten zu verursachen. Für ein Viertel sind auch Faktoren wie Anschaffungs- und Erhaltungskosten (28 %), die Angst vor Kriminalität (28 %), die Reduktion des persönlichen Kontakts (27 %) und technische Barrieren (26 %) wesentliche Nachteile. „Auch hier gibt es einigen Kommunikationsbedarf der Hersteller und Pflegedienstleister – beispielsweise wird bei den meisten Anbietern der Notruf zwar gewählt, bevor die Rettung dann tatsächlich losgeschickt wird, ruft die Leitstelle aber nochmal an und fragt nach, ob tatsächlich Hilfe benötigt wird. Dadurch werden zusätzliche Kosten vermieden“, erklärt Bodenstorfer. Nach seiner Einschätzung sei es zudem wichtig, einerseits die älteren Personengruppen mit der Technik vertraut zu machen und andererseits altersgerechte technische Varianten zur Verfügung zu stellen. Digitale Maßnahmen zur Alltagsbewältigung stoßen im Vergleich zu anderen Maßnahmen auf geringere Akzeptanz Im Vergleich zu den digitalen Maßnahmen zur Zusammenarbeit mit Gesundheitseinrichtungen bzw. zum Monitoring stoßen digitale Maßnahmen zur Alltagsbewältigung wie ein Armband zur automatischen Türöffnung (56 %), intelligente Trinkgläser (53 %) oder intelligente Pflegebetten (60 %) zur Erleichterung des eigenen Pflegebedarfs auf vergleichsweise geringere Akzeptanz unter den Befragten. Zur Pflege von Familienangehörigen werden diese Maßnahmen geringfügig eher akzeptiert – vor allem ein intelligentes Pflegebett zur automatischen Gewichtsmessung, Feuchtigkeitserkennung bzw. zum Notruf würden fast zwei Drittel (64 %) einsetzen. Fakt ist jedoch, dass genau diese Maßnahmen bisher äußerst selten eingesetzt werden. Der größte Vorteil beim Einsatz digitaler Maßnahmen zur Alltagsbewältigung wie intelligente Pflegebetten, Trinkgläser oder Armbänder zur automatischen Türöffnung ist für etwa die Hälfte der Befragten die Erleichterung des Alltags der Pflegenden (52 %) bzw. des Pflegebedürftigen (48 %). Die Kosten sind für zwei von fünf Befragten (43 %) hingegen der wesentlichste Nachteil. „Hier wären staatliche Unterstützungsleistungen gefragt – denn gerade solche Maßnahmen sind äußerst kostenintensiv in der Anschaffung, bieten aber Erleichterung im Alltag für alle an der Pflege Beteiligten“, so Horak. Haushaltsführung nach wie vor in menschlicher Hand Vor allem Staubsauger- (14 %) und Rasenmähroboter (9 %) sind bereits in einigen Haushalten im Einsatz. Diese beiden Roboter stoßen auch auf das höchste Interesse unter den Befragten – je zwei Drittel gaben an, dass sie solche Geräte selbst im Haushalt einsetzen würden. Besonders beliebt sind Staubsaugerroboter bei den jüngeren Zielgruppen – vor allem bei den 30-39-Jährigen, wo bereits mehr als jeder Fünfte (22 %) bereits einen Roboter einsetzt. Ältere Altersgruppen ab 60 Jahren setzen noch kaum Roboter im Haushalt ein, obwohl auch sie hohes Interesse haben. Als Pflegeunterstützung für Familienangehörige werden Roboter für die Haushaltsführung bisher kaum eingesetzt. Staubsaugerroboter (2 %) und Rasenmähroboter (2 %) sind hierbei die beliebteren Maßnahmen. Interesse ist aber durchaus gegeben – vor allem für den Einsatz von Staubsaugerrobotern (78 %) und Rasenmährobotern (76 %). „Automatisierte Systeme zur einfacheren Haushaltsführung werden aktuell zwar bereits vielerorts eingesetzt, die wenigsten denken im Moment aber daran, diese auch bei Pflegebedürftigen einzusetzen. Die sogenannten Roboter dafür gibt es ja bereits – wenn die Hersteller ihre Kommunikation auch in diese Richtung lenken, lässt sich ein neuer Markt erschließen“, sagt Bodenstorfer. Die Bürgerinnen und Bürger könnten sich auch vorstellen, sowohl bei sich selbst als auch bei Pflegebedürftigen in der Familie Roboter zur Pflegeunterstützung einzusetzen – besonders für das Heben ins und aus dem Bett (62 % bzw. 63 %), Unterstützung im Umgang mit Elektronik (61 % bzw. 63 %), Unterhaltung (55 % bzw. 56 %) und zum Vorlesen (54 % bzw. 57 %). „Der Markt für Roboter in der Pflege ist aktuell noch nicht erschlossen. Produkte dafür befinden sich entweder erst in der Entwicklung, sind für Privathaushalte nicht erschwinglich oder es müssen dafür noch gänzlich neue Lösungen entwickelt werden. Gerade für Technologieunternehmen ist das ein interessanter Markt, der in den nächsten Jahren rasant wachsen wird“, so Horak. Wenn Pflege- oder Haushaltstätigkeiten durch Roboter erfüllt werden, ist für mehr als die Hälfte der Befragten die Erleichterung des Alltags der Angehörigen und Pflegenden (57 %) sowie der Pflegebedürftigen (53 %) ein wesentlicher Beweggrund. Immerhin mehr als ein Drittel sehen auch Zeitgewinn für gemeinsame Freizeit (39 %), gesteigerte Unabhängigkeit (38 %) und höhere Lebensqualität (35 %) als wesentliche Vorteile. Die größten Nachteile durch Pflege- oder Haushaltsroboter sehen die Befragten in der Beeinträchtigung des Soziallebens der Pflegebedürftigen. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, dass so die menschliche Komponente bei der Pflege verloren geht (59 %), generell weniger Kontakt mit Menschen stattfindet (55 %) und die soziale Isolation zunimmt (55 %). Die Kosten werden an vierter Stelle als wesentliche Barriere genannt (51 %).   EY im Überblick EY* ist eine der führenden Prüfungs- und Beratungsorganisationen in Österreich. Das Unternehmen beschäftigt rund 1.000 Mitarbeiter an vier Standorten und erzielte im Geschäftsjahr 2019/2020 einen Umsatz von 157 Millionen Euro. Gemeinsam mit den insgesamt rund 300.000 Mitarbeitern der internationalen EY-Organisation betreut EY Kunden überall auf der Welt. EY bietet sowohl großen als auch mittelständischen Unternehmen ein umfangreiches Portfolio von Dienstleistungen an: Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung sowie Transaktionsberatung und Managementberatung. Weitere Informationen finden Sie unter www.ey.com/at  *Der Name EY bezieht sich in diesem Profil auf alle österreichischen Mitgliedsunternehmen von Ernst &Young Global Limited (EYG), einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht. Jedes EYG Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen.