- Gesamtwert der Investitionen in österreichische Start-ups im ersten Halbjahr auf 518 Millionen Euro fast vervierfacht – bereits jetzt rund doppelt so hohes Gesamtvolumen für heimische Jungunternehmen wie im gesamten Jahr 2020
- Aber: Mehr als vier Fünftel des Gesamtvolumens entfallen auf GoStudent und Bitpanda – ohne die beiden Unicorns ist bei den durchschnittlichen Finanzierungen sogar ein Rückgang zu 2020 zu verzeichnen
- Zahl der Finanzierungsrunden sinkt um 17 Prozent von 77 auf 64 – ohne GoStudent und Bitpanda sinkt durchschnittliches Volumen von rund 2,5 Millionen Euro auf 1,7 Millionen Euro
- „Österreichischer Start-up-Boom“: Momentum für Weichenstellungen wie Anreize für Risikokapital, einfache Anstellung und Beteiligung von Mitarbeiter:innen und Entbürokratisierung nutzen
- US-Investoren geben den Ton bei großen Finanzierungsrunden an
- Am meisten Finanzierungsrunden gab es im Gesundheits- sowie im Software- und Technologiebereich
- Wien liegt bei Investitionsvolumen und Deal-Zahl weit vorn
Wien, 23. Juli 2021. Österreichische Start-ups erhielten im ersten Halbjahr mehr frisches Kapital als je zuvor: Insgesamt 518 Millionen Euro flossen an heimische Jungunternehmen mit Hauptsitz in Österreich – das ist mehr als viereinhalb Mal so viel wie im Vorjahreszeitraum und schon rund doppelt so viel wie im gesamten Jahr 2020. Getrieben wird diese positive Entwicklung allerdings vor allem durch zwei Start-ups: GoStudent und Bitpanda, die gemeinsam in diesem Jahr bereits rund 426 Millionen Euro einsammeln konnten – das entspricht mehr als vier Fünftel der insgesamt von österreichischen Start-ups lukrierten Finanzierungen.
Mit insgesamt vier im Jahr 2021 abgeschlossenen Runden belegen die beiden Unternehmen auch vier der Top-5-Plätze der größten Finanzierungsrunden. Die größte Transaktion in Österreich war eine Finanzspritze von 205 Millionen Euro für das EduTech-Unternehmen GoStudent, das mit einer weiteren Finanzierungsrunde in der Höhe von 70 Millionen Euro auch Rang 3 belegt. Auf Platz 2 kommt der Neobroker Bitpanda mit 141 Millionen Euro, ebenso wie auf Platz 5 mit einer Erweiterungsrunde in der Höhe von rund 10 Millionen Euro. Den vierten Platz erreicht der oberösterreichische Haustier-Tracker-Hersteller Tractive (29 Millionen Euro).
Das sind Ergebnisse des Startup-Barometers Österreich der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Berücksichtigt wurden Unternehmen mit Hauptsitz in Österreich, deren Gründung höchstens zehn Jahre zurückliegt.
„Das erste Halbjahr 2021 hat der österreichischen Start-up-Szene einen neuen Finanzierungsrekord gebracht. Das Volumen aus dem Jahr 2020 wurde bereits in den ersten sechs Monaten mehr als verdoppelt. Die zwei Unicorns GoStudent und Bitpanda sind hervorragende Zugpferde, die dem heimischen Start-up-Ökosystem starke internationale Aufmerksamkeit bescheren und Österreich nachdrücklich auf die Landkarte internationaler Investorinnen und Investoren gehievt haben. Dass es in den ersten Wochen des zweiten Halbjahres bereits einige größere Millionen-Runden gegeben hat, unterstreicht diese positive Entwicklung“, sagt Florian Haas, Leiter des Start-up-Ökosystems bei EY Österreich.
„Allerdings überstrahlen die Finanzierungsrunden für Bitpanda und GoStudent das Start-up-Halbjahr deutlich und rücken es in ein mitunter zu positives Licht. Diese beiden Unicorns haben alleine mehr als vier Fünftel des Gesamtvolumens eingesammelt. Ohne sie wäre das durchschnittliche Finanzierungsvolumen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar gesunken. Zudem konnten weniger Start-ups frisches Kapital im Rahmen von Finanzierungsrunden einsammeln“, so Haas.
Weniger und kleinere Runden für Österreichs Start-ups – Boom in EuropaDie Anzahl der Finanzierungsrunden für österreichische Start-ups ist in den ersten sechs Monaten 2021 um rund 17 Prozent von 77 auf 64 zurückgegangen. Das durchschnittliche Volumen der Deals, bei denen eine Summe veröffentlicht wurde, hat sich zwar von knapp 2,5 Millionen Euro auf rund neun Millionen Euro mehr als verdreifacht. Rechnet man die Mega-Deals für Bitpanda und GoStudent heraus, ergibt sich hingegen ein leichter Rückgang auf rund 1,7 Millionen Euro. Im europaweiten Vergleich bleiben die Finanzierungsrunden in Österreich damit vergleichsweise klein.
„Im vergangenen Jahr hatte die Pandemie in den meisten europäischen Ländern zu einem leichten Dämpfer beim Finanzierungsvolumen geführt – Österreich war hier eine der wenigen Ausnahmen“, so Florian Haas. „In diesem Jahr sehen wir einen starken Corona-Effekt in die umgekehrte Richtung: Die Finanzierungsaktivitäten und -summen in Europa explodieren geradezu. Vergleicht man die Volumina in Österreich mit vergleichbaren Standorten in Hinblick auf die Einwohnerzahl wie Schweden oder Finnland sieht man, dass sich die österreichische Start-up-Szene trotz Rekordjahr mit kleinen Runden begnügen muss. Für die internationale Skalierung vielversprechender Scale-ups, von denen es in Österreich einige gibt, dürfen substanzielle Kapitalspritzen wie jene für GoStudent und Bitpanda keine Ausnahme bleiben“.
Das aktuelle Umfeld lasse aus Sicht von Haas jedenfalls darauf hoffen, dass die positive Entwicklung in den nächsten Monaten anhält und weitere heimische Start-ups den Unicorn-Stempel bekommen: „Der Finanzierungsboom hat mehrere Gründe“, sagt Haas. „Zum einen ist sehr viel Liquidität im Markt, die im aktuellen Niedrigzinsumfeld nach attraktiven Anlagemöglichkeiten sucht. Vor allem aber sieht der Markt inzwischen völlig neue Perspektiven für innovative Technologieunternehmen. Die Digitalisierung hat im Pandemiejahr einen riesigen Schritt nach vorn gemacht hat. Der Knoten ist geplatzt, und neue, disruptive Geschäftsmodelle werden jetzt mit ganz anderen Augen gesehen als vor der Pandemie. Unter diesen Voraussetzungen ist zu erwarten, dass wir heuer sogar die Marke von einer Milliarde Euro Finanzierungen für österreichische Start-ups überschreiten – dass im Juli bereits rund 100 Millionen Euro investiert wurden, unterstreicht das“, so Haas.
„Österreichischer Start-up-Boom“: Momentum für Weichenstellungen nutzenDie positive Entwicklung des österreichischen Start-up-Ökosystems in den letzten Jahren und die insbesondere im ersten Halbjahr 2021 verstärkte Aufmerksamkeit – in Österreich und darüber hinaus – müsse zum Anlass genommen werden, die Rahmenbedingungen für Gründer:innen, Start-up-Mitarbeiter:innen und Investor:innen weiter zu verbessern, so Haas: „Wir erleben gerade sowohl in Österreich als auch ganz Europa einen Start-up-Boom. Dieses positive Momentum, das auch stark durch US-Investoren getrieben wird, muss jetzt genutzt werden, um dringend notwendige Weichenstellungen vorzunehmen und die Start-up-Szene in Österreich zu unterstützen. Dazu gehören Anreize für mehr Risikokapital-Spritzen ebenso wie einfachere Möglichkeiten zur Anstellung – Stichwort Rot-Weiß-Rot-Karte – oder Beteiligung von Mitarbeiter:innen – wie sie in Deutschland gerade auf den Weg gebracht wurden – sowie eine Entbürokratisierung von Unternehmensgründungen. Wie viel Potenzial das österreichische Start-up-Ökosystem hat, haben die Finanzierungsrunden der letzten Monate oder auch der Rekord-Exit von has.to.be eindrucksvoll gezeigt – mit den richtigen Rahmenbedingungen ist auch im internationalen Wettbewerb noch viel mehr möglich“, so Haas.
US-Investoren geben bei großen Finanzierungsrunden klar den Ton anDer Blick auf die Herkunft der Lead-Investor:innen bei den großen Runden unterstreicht einen Trend, der bereits in den vergangenen Jahren klar erkennbar war: Bei größeren Finanzierungen geben in der Mehrheit der Fälle Investor:innen aus den USA den Ton an. Europäische Investor:innen beteiligen sich hingegen nur in Einzelfällen an entscheidenden Finanzierungsrunden.
„Der fast schon wöchentlich aufbrandende kollektive Jubel über große Finanzierungsrunden und steigende Volumina in österreichische Start-ups darf nicht überdecken, dass der Venture-Capital- und Private-Equity-Markt in Europa immer noch erheblichen Aufholbedarf hat. Europäische Geldgeber:innen – insbesondere institutionelle Investor:innen wie Pensionskassen oder Versicherungen – stehen bei größeren Investitionsrunden zumeist an der Seitenlinie und sind nur bei Runden im niedrigen zweistelligen Millionenbereich wirklich im Spiel. Es braucht dringend Weichenstellungen und Abbau regulatorischer Hürden für diese Investor:innen, um das europäische Ökosystem zu stärken und die Abwanderung von intellektuellem Eigentum – und damit schmerzhafte Standortnachteile – zu verhindern“, so Haas.
Gesundheits- und Technologiebranche verzeichnen die meisten Deals Die meisten Finanzierungsrunden wurden im ersten Halbjahr 2021 im Gesundheits-Bereich gezählt: Ihre Zahl sank zwar von 17 auf 15, allerdings ging die Anzahl an Finanzierungsrunden für den im Vorjahr an der Spitze liegenden Bereich Software & Analytics noch stärker von 24 auf 13 zurück. Mit SaaS, Artificial Intelligence, Virtual Reality, Blockchain, Cloud, Cyber Security sowie Data Analytics umfasst dieser Bereich Start-ups mit neuen Technologien. In den Bereichen e-commerce, FinTech, Mobility und Education, die die Ränge drei bis sechs der Rangliste belegen, wurden jeweils mehr Deals gezählt als im ersten Halbjahr 2020.
Aufgrund der großen Finanzierungsrunden für GoStudent und Bitpanda konnten gleich zwei Branchen im ersten Halbjahr 2021 Finanzierungssummen jenseits der 100-Millionen-Euro-Marke anziehen. Finanzierungssummen jenseits der 10 Millionen Euro-Marke erhielten darüber hinaus die Bereiche e-commerce, Software & Analytics und Health.
Wien bleibt Start-up-HotspotErneut gab es in Wien besonders viele Investitionen, die Hauptstadt konnte ihren Vorsprung als Start-up-Hotspot gegenüber den anderen Bundesländern klar behaupten: Trotz eines Rückgangs der Finanzierungsrunden um ein Viertel von 55 auf 41 liegt Wien unangefochten an der Spitze, auf dem zweiten Platz liegt wie schon im Vorjahr Oberösterreich (8), dahinter folgt die Steiermark (5).
Das Investitionsvolumen in Wien hat sich von 121 auf 464 Millionen Euro fast vervierfacht. Sogar mehr als versechsfacht haben sich die Finanzierungssummen in Oberösterreich: von sechs Millionen auf 39 Millionen Euro.
EY im ÜberblickEY* ist eine der führenden Prüfungs- und Beratungsorganisationen in Österreich. Das Unternehmen beschäftigt rund 1.000 Mitarbeiter an vier Standorten und erzielte im Geschäftsjahr 2019/2020 einen Umsatz von 157 Millionen Euro. Gemeinsam mit den insgesamt rund 300.000 Mitarbeiter:innen der internationalen EY-Organisation betreut EY Kunden überall auf der Welt.EY bietet sowohl großen als auch mittelständischen Unternehmen ein umfangreiches Portfolio von Dienstleistungen an: Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung sowie Transaktionsberatung und Managementberatung. Weitere Informationen finden Sie unter www.ey.com/at *Der Name EY bezieht sich in diesem Profil auf alle österreichischen Mitgliedsunternehmen von Ernst &Young Global Limited (EYG), einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht. Jedes EYG Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen.