- Einstellungsbereitschaft der Unternehmen im dritten Jahr in Folge gesunken, Beschäftigungsdynamik bleibt jedoch trotz Coronakrise leicht positiv
- Rekrutierung von Fachkräften bleibt schwierig: 76 Prozent der Mittelstandsunternehmen haben Probleme, geeignete Fachkräfte zu finden
- Meiste unbesetzte Stellen in den Bereichen Technik und IT
- Unternehmen in Vorarlberg und Oberösterreich haben die größten Probleme bei der Rekrutierung von Fachkräften – Wien und Tirol die geringsten
- Mittelstand sieht Fachkräftemangel unter den Top-3-Risiken für das eigene Geschäft
- 35 Prozent der österreichischen Betriebe verlieren Umsätze aufgrund des Fachkräftemangels – Energie- und Wasserversorgungsbranche am meisten betroffen
Wien, 16. Februar 2021. In der heimischen Wirtschaft fehlt es bereits seit einigen Jahren branchenübergreifend an qualifizierten Fachkräften. Die Coronakrise und die damit verbundene Rezession haben die Situation am Arbeitsmarkt abermals verschärft. Während der Fachkräftemangel im Vorjahr mit 69 Prozent das größte Risiko für Mittelstandsunternehmen darstellte, sehen Unternehmer nun einen neuerlichen Ausbruch der Pandemie (76 %) und einen drohenden wirtschaftlichen Abschwung (71 %) als größte Gefahr. Dennoch beeinflusst auch der Fachkräftemangel mit 57 Prozent weiterhin die Entwicklung des österreichischen Mittelstandes negativ.
Den Unternehmen fällt es weiterhin schwer, geeignete Fachkräfte zu finden: Gut drei von vier Mittelständler in Österreich (76 Prozent) haben nach eigenen Angaben Schwierigkeiten, geeignete Fachkräfte zu finden, 23 Prozent der Unternehmen sogar erhebliche. Nur drei von hundert Betrieben geben auf der anderen Seite an, keine Schwierigkeiten bei der Rekrutierung geeigneter Fachkräfte zu haben. Damit ist die Fachkräfte-Situation auch aufgrund der konjunkturbedingten Zurückhaltung bei Personaleinstellungen aus Sicht der Unternehmen nicht mehr ganz so drängend, stellt für die Betriebe jedoch weiterhin eine ernste Herausforderung dar.
Das sind Ergebnisse der Studie „Fachkräftemangel im österreichischen Mittelstand“ der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY. Dafür wurden österreichweit 800 mittelständische Unternehmen mit 30 bis 2.000 Mitarbeitern befragt.
Einstellungsbereitschaft im dritten Jahr in Folge gesunkenDie Einstellungsbereitschaft der Unternehmen hält sich zwar weiterhin im positiven Bereich – jeder fünfte mittelständische Betrieb (20 %) plant, in den kommenden sechs Monaten zusätzliche Mitarbeiter einzustellen – dennoch ist der Anteil der Betriebe, die den Personalstand erhöhen wollen, im dritten Jahr in Folge gesunken: Im Jänner 2018 wollten noch 35 Prozent aufstocken, im Jänner 2019 waren es 32 Prozent und im Jänner 2020 gaben das nur noch 28 Prozent an. Gleichzeitig plant jedes neunte Unternehmen (11 %) Stellenstreichungen – so viele wie in den vergangenen drei Jahren nicht mehr. Damit dürfte unter dem Strich die Beschäftigung im Mittelstand insgesamt zwar weiter zunehmen, allerdings wird die Beschäftigungsdynamik gegenüber den Vorjahren weiter sinken.
Der Beschäftigungsboom ist somit vorerst beendet: Vor einem Jahr lag der Anteil der Unternehmen, die neue Stellen schaffen wollten, noch um 21 Prozentpunkte über dem Anteil derer, die Stellen abbauen wollten. Inzwischen hat sich dieser Wert mit neun Prozent mehr als halbiert. Die meisten neuen Stellen wollen Unternehmen in Salzburg (32 %) und in Oberösterreich (26 %) schaffen.
„Zwar lässt die Coronakrise den Personalbedarf der Wirtschaft gerade kräftig schrumpfen, doch der Fachkräftemangel wird dadurch nur ein kleines bisschen abgemildert – viele Branchen holt er auch während der Krise trotz hoher Arbeitslosenzahlen schmerzhaft ein. Mittel- und langfristig werden vor allem qualifizierte Fachkräfte fehlen. Angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheit, die sich jetzt durch das Auftreten einer neuen Virusvariante weiter verschärft hat, halten sich die Unternehmen bei Neueinstellungen wieder stärker zurück. Wie schon im Vorjahr bremst die Situation auf dem Arbeitsmarkt die Wachstumspläne von Österreichs Betrieben“, so Erich Lehner, Managing Partner Markets bei EY Österreich und verantwortlich für den Bereich Mittelstand.
Fachkräftemangel verursacht bei 35 Prozent der Unternehmen UmsatzeinbußenIn Österreich bedeutet der Fachkräftemangel eine enorme Herausforderung für die Wirtschaft: Ein Viertel der befragten österreichischen Unternehmen (28 %) gibt an, zumindest leicht am Fachkräftemangel zu leiden, sieben Prozent verzeichnen erhebliche Umsatzeinbußen. Damit hat sich die Situation der Unternehmen gegenüber dem Vorjahr, als der Anteil der Unternehmen mit Umsatzeinbußen bei 37 Prozent lag, nur geringfügig entspannt. Besonders ausgeprägt sind die Folgen des Fachkräftemangels in der Energie- und Wasserversorgungsbranche (57 %), gefolgt vom Finanz- und Dienstleistungsbereich, wo knapp die Hälfte der Unternehmen (44 %) Umsatzeinbußen aufgrund unbesetzter Fach-Positionen beklagen.
Meiste unbesetzte Stellen im IT- und TechnikbereichAm eindrücklichsten ist der Mangel an Fachkräften im technischen Bereich zu sehen – dort bleiben in jedem vierten Unternehmen (26 %) Stellen unbesetzt. Der Digitalisierungsschub durch die Coronakrise hat auch den Fachkräftemangel im IT-Bereich weiter verschärft: 15 Prozent der Unternehmen in diesem Bereich melden offene Stellen.
„Die digitale Transformation ist in allen Branchen voll im Gang, speziell Industriebetriebe stecken mitten in einem nachhaltigen technologischen Umbruch. Das führt auch zu erheblichen Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt. Traditionelle Arbeitsplätze fallen weg, gleichzeitig entstehen gerade in den Bereichen der technischen Produktion, IT sowie Forschung und Entwicklung neue Stellen. Der Arbeitsmarkt hält mit dieser Entwicklung momentan nicht Schritt, was die Vakanzen in genau diesen Bereichen erklärt. Die Weiterentwicklung des österreichischen Bildungssystem ist der entscheidende Hebel für eine erfolgreiche wirtschaftliche Zukunft“, so Lehner.
Probleme in allen Bundesländern – Fachkräftemangel besonders im WestenProbleme bei der Fachkräftesuche haben Unternehmen in ganz Österreich – unabhängig vom Bundesland. Immer mehr mittelständische Betriebe spüren die zunehmenden Fachkräfteengpässe, die sich seit mehreren Jahren in vielen Berufen bemerkbar machen. Allerdings zeigen sich erhebliche regionale Unterschiede: Am stärksten spüren Unternehmen in Vorarlberg (34 % haben „große“, 51 % „eher große“ Probleme), Oberösterreich (31 % bzw. 54 %) und Salzburg (30 % bzw. 55 %) den Fachkräftemangel. Am besten ist die Situation noch in Wien – allerdings klagen im bevölkerungsreichsten Bundesland immer noch sieben Prozent über „große“ und weitere 52 Prozent über „eher große“ Schwierigkeiten bei der Fachkräfterekrutierung.
„Angesichts der demografischen Entwicklung ist die Sicherung des Fachkräftebedarfs eine der großen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte für alle Akteure aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Stellenbesetzungsprobleme sind inzwischen ein flächendeckendes Phänomen, auch wenn der Fachkräftemangel im Westen und Süden Österreichs immer noch stärker ausgeprägt ist“, meint Lehner.
Energie- und Wasserversorgung spüren Fachkräftemangel am stärkstenIn fast allen Teilen der österreichischen Wirtschaft ist 2021 der Fachkräftemangel wahrnehmbar. Besonders stark im Bereich Energie- und Wasserversorgung (86 %) sowie in der Immobilienbranche (83 %) und im Bereich Transport und Verkehr (82 %). Sogar im Tourismusbereich haben trotz wiederholter Lockdowns immer noch sechs von zehn Betrieben (61 %) Probleme, Fachkräfte zu finden.
Parallel dazu sind in den Branchen, die besonders unter Fachkräftemangel leiden, auch die größten Umsatzeinbußen aufgrund von unbesetzten Positionen zu finden: Zwei Drittel (64 %) der Energie- und Wasserversorger und fast die Hälfte der (Finanz-)Dienstleister (44 %) beklagen Einbrüche ihres Umsatzes aufgrund fehlender Fachkräfte.
„Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Der Fachkräftemangel ist real und das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht – die Coronakrise und der damit einhergehende Wirtschaftsabschwung haben noch zusätzlich Öl ins Feuer gegossen. Es gibt innerhalb Österreichs keine Branche und keinen Ort mehr, der vom Fachkräftemangel verschont bleibt“, so Lehner.
EY im ÜberblickEY* ist eine der führenden Prüfungs- und Beratungsorganisationen in Österreich. Das Unternehmen beschäftigt über 1.000 Mitarbeiter an vier Standorten und erzielte im Geschäftsjahr 2019/2020 einen Umsatz von 157 Millionen Euro. Gemeinsam mit den insgesamt rund 300.000 Mitarbeitern der internationalen EY-Organisation betreut EY Kunden überall auf der Welt.EY bietet sowohl großen als auch mittelständischen Unternehmen ein umfangreiches Portfolio von Dienstleistungen an: Wirtschaftsprüfung, Steuer- und Rechtsberatung sowie Transaktionsberatung und Managementberatung. Weitere Informationen finden Sie unter www.ey.com/at *Der Name EY bezieht sich in diesem Profil auf alle österreichischen Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited (EYG), einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht. Jedes EYG Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen.