- EU-Neuwagenmarkt legt zwar im Juni um vier Prozent zu, bleibt aber deutlich unter Vorkrisenniveau
- Österreich: Anstieg der Neuzulassungen um 25 Prozent
- EU-Absatz liegt im ersten Halbjahr um knapp ein Fünftel niedriger als vor der Pandemie
- Absatz von Elektroautos sinkt in der EU um ein Prozent, leichtes Plus in Österreich
- Überkapazitäten werden zunehmend zur Belastung für Autohersteller
Wien, 18. Juli 2024. Der EU-Neuwagenmarkt legte im Juni insgesamt leicht – um vier Prozent – zu. Allerdings wurden in immerhin elf der 27 EU-Länder weniger Neuwagen zugelassen als im Vorjahresmonat, darunter in großen Märkten wie Frankreich, die Niederlande und Belgien. In Österreich wurde ein Anstieg um 25 Prozent registriert. Ein Grund für die relativ gute Entwicklung im Juni könnten vorgezogene Neuzulassungen sein, da seit dem 7. Juli neu zugelassene Pkw verpflichtende Fahrerassistenzsysteme aufweisen müssen.
Insgesamt stieg der Pkw-Absatz in der EU im ersten Halbjahr zwar um drei Prozent, damit bleibt im Vergleich zu 2019 allerdings immer noch eine Lücke von etwa 1,2 Millionen Neuwagen – in der ersten Jahreshälfte 2019 wurden 18 Prozent mehr Pkw neu zugelassen als in den vergangenen sechs Monaten. In Österreich stieg der Absatz im ersten Halbjahr zwar um sieben Prozent, dennoch lagen die Neuzulassungen um 23 Prozent unter dem Wert, der im ersten Halbjahr 2019 erreicht wurde.
Axel Preiss, Leiter Advanced Manufacturing & Mobility bei EY, sieht den europäischen Neuwagenmarkt trotz der leichten Erholung weiterhin im Krisenmodus: „Es geht schleichend aufwärts, jedoch bleibt das Interesse der Käufer:innen spürbar hinter den Zeiten vor der Pandemie zurück. Seit Beginn des Jahres 2020 bis heute wurden in der Europäischen Union rund 20 Millionen weniger Neufahrzeuge abgesetzt als im gleichen Zeitraum vor der Krise. Diese anhaltende Schwächephase stellt für die Automobilhersteller ein wachsendes Problem dar. Angesichts der ungenutzten Kapazitäten sind Anpassungen unumgänglich, besonders da chinesische Hersteller von Elektroautos als neue Mitbewerber den Markt betreten.“
Hinzu komme, dass derzeit wenig dafürspräche, dass es zu einer durchgreifenden Besserung der Lage und einem deutlichen Anstieg der Verkaufszahlen kommen könne, so Preiss: „Die wirtschaftliche Lage ist nach wie vor von Unsicherheit geprägt. Schwache Konjunktur, geopolitische Spannungen und politische Instabilität sorgen für Verunsicherung. Und natürlich ist die Kaufkraft durch die hohe Inflation geschwächt.“ Obendrein verliere der wichtigste Wachstumstreiber der Vorjahre – die Elektromobilität – derzeit deutlich an Dynamik.
Elektroautos: Marktanteil in der Hälfte der EU-Länder rückläufigIm Juni sank die Zahl der neu zugelassenen Elektroautos gegenüber dem Vorjahresmonat um ein Prozent, rückläufige Absatzzahlen wurden in 13 Ländern registriert. In Österreich wurde ein leichter Anstieg um knapp zwei Prozent erreicht.
Der Marktanteil von Elektroautos sank EU-weit im Vergleich zum Vorjahresmonat von 15,1 auf 14,4 Prozent, in Österreich von 18,8 auf 15,3 Prozent. Einen sinkenden Marktanteil von Elektroautos wiesen insgesamt immerhin 16 der 27 EU-Länder auf.
„In zahlreichen EU-Staaten ist derzeit ein Rückgang der Marktanteile von E-Autos zu beobachten – der Fortschritt in der Elektromobilität gerät ins Stocken. Dies ist teilweise auf auslaufende oder reduzierte Subventionen zurückzuführen, wie es bspw. in Deutschland der Fall ist. Allerdings ist es ebenso eine Tatsache, dass das Interesse der Konsument:innen an dieser Technologie nach wie vor begrenzt ist. Die erneut aufgeflammte Debatte in Europa über eine mögliche Revision des geplanten Verbots von Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2035 trägt zur Verunsicherung der Konsument:innen und einer Zurückhaltung beim Autokauf bei“, erklärt Preiss: „Weiterhin sorgen die Kosten für Elektroautos bei vielen potenziellen Neuwagenkäufer:innen für Zurückhaltung. Erwartet wird, dass in den nächsten Jahren neue, verbesserte Batterietechnologien sowie der Ausbau der Ladeinfrastruktur in ganz Europa Abhilfe schaffen werden. Zudem könnte eine größere Vielfalt im Bereich der günstigeren Modelle mittelfristig neue Kundenschichten ansprechen.“
Für die Industrie sei die aktuelle Absatzschwäche bei E-Autos sehr problematisch, so Preiss: „Die einstigen Verkaufsprognosen, die von einem stetigen Wachstum des Absatzes ausgingen, waren zu optimistisch. Die Automobilindustrie hat aufgrund der erwarteten Zunahme der Verkaufszahlen in Produktionsstätten und Kapazitäten investiert. Jetzt jedoch liegen die tatsächlichen Verkaufszahlen deutlich unter den Erwartungen. Gleichzeitig erleben wir eine unerwartete Renaissance des Verbrennungsmotors. Einige Automobilhersteller passen ihre Strategien für Elektrofahrzeuge an diese veränderte Situation an und verlängern die Koexistenz von Verbrennungs- und Elektrofahrzeugen – ein Schritt, der erhebliche finanzielle Mittel erfordern wird.“
Im Osten Europas spielen Elektroautos keine RolleElektroautos sind in den meisten EU-Ländern nach wie vor ein Nischenprodukt: In immerhin 15 EU-Ländern lag der Elektro-Marktanteil im Juni unter zehn Prozent. Besonders niedrig ist der Marktanteil von Elektroautos in den ost- und südosteuropäischen Ländern. So wurden allein in Belgien im Juni fast doppelt so viele Elektroautos neu zugelassen wie in Bulgarien, Estland, Griechenland, Kroatien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern zusammen. Insgesamt lag der Marktanteil von Elektroautos in den Ländern Ost- und Südosteuropas im Juni bei 4,8 Prozent, nachdem er im Vorjahr 4,9 Prozent betragen hatte.
Elektrovorreiter bleiben die skandinavischen und Benelux-Länder. Der höchste Marktanteil von Elektroautos wurde im Juni in Dänemark mit 51 Prozent registriert. Österreich lag im Juni mit einem Elektro-Marktanteil von 15,3 Prozent im EU-Vergleich im oberen Mittelfeld.
Die schwache Absatzentwicklung bei Elektroautos könnte sich zu einem Problem für einige Anbieter auswachsen, da 2025 neue, verschärfte CO
2-Ziele für die Hersteller in der EU gelten und bei Nichterreichen dieser Ziele Milliardenstrafen fällig werden.
Plug-in Hybride verlieren noch stärker als ElektroautosBerücksichtigt man zusätzlich Plug-in-Hybride (PHEV), wird der Unterschied zwischen den Elektrovorreitern in Skandinavien und Benelux und dem Osten Europas noch deutlicher. So reicht die Spanne von 57 Prozent (gemeinsamer Marktanteil BEV und PHEV) in Schweden bis vier Prozent in Litauen und Rumänien. Insgesamt schrumpfte der Absatz von Plug-in-Hybriden in der EU im Juni um 20 Prozent, der Marktanteil sank von 7,9 auf 6,1 Prozent. In Österreich stieg der Absatz von Plug-in-Hybriden im Juni um 0,4 Prozent, der Marktanteil sank von 7,3 auf 5,9 Prozent.
In Summe verzeichneten EU-weit Neuwagen mit Stecker – also PHEV und BEV – einen Absatzrückgang von sieben Prozent, der gemeinsame Marktanteil sank von 23,1 auf 20,5 Prozent. In Österreich stieg der Absatz von BEVs und PHEVs zusammen um 1,4 Prozent, der Marktanteil sank aber deutlich von 26,2 auf 21,2 Prozent.