- Frankreich, UK und Deutschland wichtigste Investitionsstandorte in Europa – Österreich auf Platz 13
- Gesamtanzahl ausländischer Direktinvestitionen in Österreich im Vergleich zu 2021 beinahe unverändert
- Österreichische Unternehmen investieren vorrangig in Deutschland, UK und der Türkei
- Zahl der ausländischen Investitionsprojekte in Europa stieg 2022 um ein Prozent
Wien, 11. Mai 2023. Europaweit wurden im vergangenen Jahr insgesamt 5.962 Investitionsprojekte ausländischer Investor:innen angekündigt, ein Anstieg um ein Prozent (+ 85 Projekte). Das Vor-Pandemie-Niveau wurde damit aber weiterhin deutlich verfehlt. So lag die Zahl der ausländischen Investitionsprojekte um sieben Prozent unter dem Wert von 2019. Unter den größeren europäischen Standorten entwickelten sich im vergangenen Jahr die Türkei, Portugal, Polen und Irland mit Zuwachsraten von mehr als 20 Prozent besonders dynamisch.
Österreich konnte sich zuletzt 2021 über einen Investitionszuwachs freuen: Die Investitionen stiegen damals gegenüber 2020 um über ein Drittel (35 %) von 76 auf 103. 2022 bleiben die Gesamtinvestitionen konstant auf diesem Niveau und pendeln sich auf 101 ein.
Das sind die Ergebnisse der „EY Attractiveness Survey“ der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY zur Attraktivität des Wirtschaftsraumes Europa und zu tatsächlichen Investitionsprojekten ausländischer Unternehmen in Europa.
Österreich sei ein starker und wettbewerbsfähiger Standort, betont Gunther Reimoser, Country Managing Partner von EY Österreich. „Aber auf der Kostenseite hat Österreich zuletzt deutlich an Attraktivität verloren – gerade für Industrieunternehmen. Und bei Forschung, Entwicklung und digitalen Innovationen sind derzeit andere Standorte besser aufgestellt. Hierzulande dauert vieles einfach zu lange und ist mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden – ob es nun um Planungs- und Genehmigungsverfahren oder auch den Ausbau der digitalen und der Energie-Infrastruktur geht.“
Deutschland erneut wichtigster Investitionspartner Österreichs Deutsche Unternehmen erwiesen sich im vergangenen Jahr einmal mehr als Investitionsmotor in Europa: Insgesamt 685 Investitionen führten sie im europäischen Ausland durch, das entspricht einem Anstieg um vier Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mehr Investitionen – insgesamt 1.240 Projekte, plus sechs Prozent – tätigten nur US-Unternehmen. Wirft man einen Blick auf Österreich so zeigt sich, dass auch hierzulande vor allem die deutschen Nachbarn investierten – 2022 waren es 44 Investitionen (2021: 52), wenngleich die Zahl im Vergleich zum Vorjahr auch etwas zurückgegangen ist. Auf dem zweiten Platz der aktivsten Investor:innen in Österreich rangierte 2022 die Schweiz mit 17 Investitionen (2021: 7), dicht gefolgt von den USA auf dem dritten Platz. Sie steigerten ihre Investitionen deutlich um mehr als 40 Prozent (2022: 16, 2021: 9).
Die hohe Aktivität bei Investitionsprojekten in der Beziehung Deutschland und Österreich geht in beide Richtungen: So war Deutschland für heimische Investor:innen am attraktivsten – denn die meisten österreichischen Investitionen wurden innerhalb der deutschen Landesgrenzen getätigt (2022: 21, 2021: 29). Auf Platz zwei folgte Großbritannien (2022: 15), danach die Türkei (2022: 14), Frankreich (2022: 9) sowie Italien (2022: 6) und Serbien (2022: 5). Nach einem deutlichen Anstieg im Jahr 2021 auf 126 Investitionsprojekte von österreichischen Investor:innen im Ausland gab es 2022 einen Rückgang um knapp 20 Prozent auf 102.
Dynamik in Osteuropa stärker als in WesteuropaIm Osten Europas wurde 2022 ein erfreulicher Anstieg der Zahl der Investitionsprojekte registriert – trotz des Krieges in der Ukraine. Diese Projekte fielen im Durchschnitt allerdings kleiner aus als im Vorjahr – vor allem die Zahl der Großprojekte, bei denen mehr als 500 Arbeitsplätze geschaffen werden, schrumpfte deutlich von 62 auf 54. In Westeuropa sank die Zahl derartiger Großprojekte nur von 94 auf 91.
Der größte Investor in Osteuropa sind nach wie vor deutsche Unternehmen mit 189 Projekten – das sind acht Prozent mehr als im Vorjahr – gefolgt von US-Unternehmen, die ihr Engagement in Mittel- und Osteuropa sogar um 40 Prozent auf 174 Projekte ausweiteten.
„Auch einige südeuropäische Länder profitieren von der Verlagerungsdynamik, der Regionalisierung der Lieferketten und relativ niedrigen Kosten, wie die guten Entwicklungen in Portugal, Italien und der Türkei zeigen. Auch Irland legte deutlich zu – vermutlich ein Ergebnis der relativ schwachen Entwicklung Großbritanniens“, erklärt Reimoser.
Investitionen treiben Arbeitsmarkt anDie Digitalbranche – dazu zählen etwa Digital-Start-ups, Software-Entwickler, Anbieter von Online-Plattformen – war im vergangenen Jahr nicht nur für die meisten Investitionsprojekte in Europa verantwortlich, in dieser Branche wurden auch die meisten neuen Stellen angekündigt – und zwar 67.116. Auf dem zweiten Platz lag die Automobil- und Fahrzeugindustrie mit 55.674 neuen Stellen.
In Österreich wurden durch ausländische Investitionsprojekte 2022 2.913 Arbeitsplätz geschaffen – 2021 waren es noch 3.692 Jobs. Umgekehrt haben österreichische Unternehmen durch Investitionsprojekte im europäischen Ausland 2022 5.169 neue Arbeitsplätze geschaffen (2021: 5.424).
Großes Plus bei Energieversorgungs- und SolarunternehmenIn den meisten Branchen wurden jedoch weniger neue Stellen geschaffen als im Vorjahr. Die positive Ausnahme ist der Bereich Energieversorgung/Solar, der einen kräftigen Zuwachs sowohl bei der Zahl der Projekte (+ 36 Prozent) als auch bei der Zahl der geschaffenen Arbeitsplätze verzeichnete, die sich fast verdreifacht hat.
Die Entwicklung verlief im vergangenen Jahr je nach Branche jedoch sehr unterschiedlich: Nachdem es im Vorjahr noch einen massiven Anstieg in der Fahrzeugindustrie und im Bereich Transport & Logistik gegeben hatte, entwickelten sich beide Branchen im Jahr 2022 leicht rückläufig. Die Branche Software & IT Dienstleistungen stellt nach wie vor den größten Anteil der Projekte – die Zahl der Investitionen steigt gegenüber dem Vorjahr weiter um acht Prozent.
Europa: Herausfordernde Lage für Investor:innenInsgesamt bleibt Reimoser skeptisch, ob es in diesem Jahr gelingen wird, die Investitionstätigkeit in Europa deutlich anzukurbeln: „Einerseits beäugen Investor:innen Europa derzeit kritisch: Der Krieg in der Ukraine, sehr hohe Energiepreise, in vielen Ländern eine hohe Steuerbelastung und durchwachsene Konjunkturaussichten sind herausfordernde Faktoren für sie. Andererseits achten Unternehmen vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die sie in der Pandemie gemacht haben, verstärkt auf die Belastbarkeit ihrer Lieferketten und suchen nach regionalen Lösungen. Dieser Trend wird voraussichtlich zu weiteren Investitionen in Europa führen.“
Spitzenreiter im Europa-Ranking bleibt Frankreich. So stieg die Zahl der Investitionsprojekte in Frankreich im vergangenen Jahr um drei Prozent auf 1.259, nachdem sie im Vorjahr bereits um 24 Prozent zugelegt hatte. Großbritannien belegt den zweiten Platz im Ranking, die Zahl der Projekte schrumpfte allerdings um sechs Prozent auf 929.
Mit dem „Inflation Reduction Act“ hätten die USA zudem den Standortwettbewerb weiter verschärft, warnt Reimoser: „Die USA gewähren massive Steuererleichterungen für Investitionen in grüne Technologien, was die Produktionskosten spürbar reduziert und zusammen mit einem ohnehin deutlich niedrigeren Energiepreisniveau hohe Anreize schafft.“ Diesem Standortwettbewerb müsse sich Europa stellen und einen Förderrahmen schaffen, der auch in Europa Unternehmen zu schnellem Handeln und Investitionen motiviert.