- Für 77 Prozent ist die Suche nach und Anstellung von geeignetem Personal noch schwieriger als vor zehn Jahren
- Besonders starker Fachkräftemangel in IT und Krankenpflege
- Weitere Verschärfung insbesondere unter diplomierten Krankenpflegern, Ärzten sowie Pflegehilfen erwartet
- Fast alle Befragten (92 %) gehen von Intensivierung des Personalmangels aus
Wien, 10. Dezember 2020. Das Thema Fachkräftemangel begleitet Österreichs Wirtschaft schon seit Jahren und ist in beinahe allen Berufsgruppen stark zu spüren – besonders auch im öffentlichen und sozialen Sektor. Über drei Viertel (77 %) der befragten Führungskräfte gaben an, dass die Suche und Anstellung von geeignetem Fachpersonal schwieriger ist als noch vor zehn Jahren. 67 Prozent gehen sogar so weit, dass aktuell Personal eingestellt werden muss, das vor einem Jahrzehnt noch abgelehnt worden wäre. Besonders betroffen sind davon die Berufsgruppen Heimhilfen (85 %), Pflegehilfen (83 %) und diplomierte Krankenpflege (76 %), das Schlusslicht bilden die Marketing-Branche (50 %) und Sanitäter (44 %).
Das sind die Ergebnisse einer aktuellen Studie von EY-Parthenon, der Strategieberatung von EY in Österreich, an der im September und Oktober 2020 über 200 Führungskräfte, überwiegend von Organisationen in den Bereichen Sozialwirtschaft, Gesundheitsdienstleistung und öffentlicher Verwaltung, teilnahmen.
Akuter Personalmangel: IT und Krankenpflege besonders betroffenWährend sich das Fehlen der Fachkräfte durch alle Bereiche des öffentlichen und sozialen Sektors zieht, stechen zwei Berufsgruppen besonders hervor: Branchenübergreifend sieht fast jede zweite Führungskraft einen Mangel bei IT-Kräften (48 %) und in der diplomierten Krankenpflege (47 %). Das Thema Pflege ist unumgänglich, wenn über Fachkräftemangel gesprochen wird – jeder dritte Befragte (36 %) sieht hier dringenden Bedarf nach professionellem Personal. „Gerade im Gesundheits- und Pflegewesen blinken seit längerem alle Alarmsignale rot – der Sektor ist stark überlastet, viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelangen an ihre Kapazitätsgrenzen. Das wirft Fragen hinsichtlich der Belastungsgrenzen des Pflege-, Gesundheits- und Verwaltungssystems auf“, so Martin Bodenstorfer, Geschäftsführer bei EY-Parthenon.
Ein Ende des Fachkräftemangels sei leider nicht in Sicht, ergänzt Christian Horak, Partner bei EY-Parthenon, das Gegenteil sei der Fall: „Der Druck, Personalressourcen effizient zu nutzen, steigt weiter an. Die große Mehrheit, immerhin 92 Prozent, ist der Meinung, dass sich der Personalmangel künftig sogar weiter verschärfen wird“. Dies treffe vor allem die diplomierte Krankenpflege (99 %), Ärzte (96 %) sowie Pflegehilfen (94 %) und Techniker (92 %).
Im Durchschnitt bleiben manche Stellen – zum Beispiel Psychologen oder Ärzte – über sieben Monate unbesetzt, was die Überlastung des Systems weiter verschärfen dürfte.
Erschwertes RecruitingDas Recruiting hat sich in den letzten Jahren erschwert (44 %), für jeden dritten Arbeitgeber (33 %) wurde das Anwerben von Fachkräften sogar viel schwieriger. Dabei sind zwei Drittel der Meinung (74 %), dass Vollzeitstellen (eher) stärker betroffen sind. Als größte Konsequenz sehen die befragten Führungskräfte, dass ein erhöhter Arbeitseinsatz der Mitarbeiter gefordert ist. Für gut jedes vierte Unternehmen (28 %) ist es zunehmend schwierig, die aktuellen Leistungen abzurufen – und 16 Prozent können gar keine neuen Leistungen anbieten. „Das ist eine komplexe Situation: Denn ohne geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann ein Unternehmen im Gesundheits- und Sozialsektor weder die gewohnten Leistungen erbringen noch sein Portfolio erweitern. Aber finanziell wird es ebenso brenzlig, wenn über einen längeren Zeitraum keine Fachkraft gefunden wird, denn eine unbesetzte Stelle führt letztendlich auch zu entgangenem Umsatz“, meint Martin Bodenstorfer.
Faire Bezahlung und verbesserte Work-Life-Balance als SchlüsselUm dem Personalmangel entgegenzuwirken, setzen die Organisationen vermehrt auf eine Mischung aus monetären sowie nicht-monetären Anreizen und eine gesteigerte Work-Life-Balance. Für drei Viertel der Befragten (73 %) hat die Verbesserung der Work-Life-Balance eine hohe oder eher hohe Priorität. Zu den beliebtesten nicht-monetären Ansätzen zählen Weiterbildungsangebote sowie Mitarbeitergespräche bzw. Zielvereinbarungen (je 84 %) und Arbeitszeitflexibilität (78 %). Auch Homeoffice ist für 76 Prozent ein wichtiger Antrieb.
Um Fachkräfte an Land zu ziehen, müssen Organisationen durchaus tiefer in die Tasche greifen: Besonders Gesundheitsdienstleister (50 %) setzen bereits auf höhere Gehälter.
Digitalisierungsgrad im Bewerbungsprozess steigtSo schnelllebig die Arbeitswelt ist, so rasch ändert sich auch das Recruiting: Sieben von zehn (70 %) sozialwirtschaftliche Organisationen haben das Recruiting aufgrund des Personalmangels umgestellt, im Gesundheitswesen waren es 60 Prozent, in der öffentlichen Verwaltung knapp 39 Prozent. „Viele Unternehmen versuchen, den Einstellungsprozess bestmöglich zu umgehen, indem sie sich Fachkräfte selbst heranziehen – so ist es kein Wunder, dass gut jede dritte Organisation (38 %) heute stärker selbst ausbildet als früher. Der Blick geht auch oft über die österreichischen Landesgrenzen hinaus, 27 Prozent rekrutieren bereits vermehrt im Ausland“, analysiert Christian Horak.
Obwohl der Fachkräftemangel sehr intensiv wahrgenommen wird, sind Talent- oder Bewerberpools sowie Kommunikationskonzepte weniger im Einsatz. Fast alle (91 %) setzen jedoch auf Digitalisierung, um Prozesse zu vereinfachen – allen voran durch Automatisierung von manuellen Verwaltungstätigkeiten (z.B. Reisekostenmanagement). Trotzdem sollte auch künftig vermehrt nach weiteren Optimierungsmöglichkeiten gesucht werden, empfiehlt Martin Bodenstorfer, denn so könne das bestehende Personal zumindest teilweise entlastet werden.
Um Personal zu gewinnen, wird auch auf digitale Bestrebungen gesetzt – am beliebtesten sind externe und interne Jobplattformen (76 % bzw. 69 %) sowie Bewerberportale (65 %).
COVID-19 erschwert GesamtsituationDie Corona-Pandemie fordert den öffentlichen und sozialen Sektor zusehends. COVID-19 nimmt viele Zeitressourcen der Organisationen in Anspruch, weshalb der Fokus auf das Kerngeschäft geschwächt ist. Die Konsequenzen, die den Gesundheits- und Sozialbereich sowie die öffentliche Verwaltung bislang am meisten gezeichnet haben, waren der hohe Aufwand (Zeit und Kosten) für Schutzmaßnahmen (77 %), das Homeoffice der Mitarbeiter (59 %) sowie der höhere Arbeitsaufwand im Unternehmen durch eingeschränkt verfügbares Personal (58 %).
EY im ÜberblickEY* ist eine der führenden Prüfungs- und Beratungsorganisationen in Österreich. Das Unternehmen beschäftigt über 1.000 Mitarbeiter an vier Standorten und erzielte im Geschäftsjahr 2019/2020 einen Umsatz von 157 Millionen Euro. Gemeinsam mit den insgesamt rund 300.000 Mitarbeitern der internationalen EY-Organisation betreut EY Kunden überall auf der Welt.EY bietet sowohl großen als auch mittelständischen Unternehmen ein umfangreiches Portfolio von Dienstleistungen an: Wirtschaftsprüfung, Steuer- und Rechtsberatung sowie Transaktionsberatung und Managementberatung. Weitere Informationen finden Sie unter www.ey.com/at *Der Name EY bezieht sich in diesem Profil auf alle österreichischen Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited (EYG), einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht. Jedes EYG Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen.