Spätestens mit Beginn der Corona-Pandemie war klar: Der klassische Büroalltag ist aus der Zeit gefallen. Immer mehr Mitarbeiter:innen möchten zumindest einen Teil ihrer Arbeitszeit remote verrichten, der Gutteil davon von zuhause aus. Für die Arbeitnehmer:innen liegen mehrere Vorteile auf der Hand: Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, weniger Zeit, die für Pendeln aufgebracht wird, und effizienteres Arbeiten sind nur drei von vielen Aspekten, die für Remote Work sprechen. Doch wie schätzen die Führungskräfte das Thema Homeoffice ein? Was bedeutet Great Attrition in diesem Zusammenhang? Wer profitiert am meisten von Remote Work? Sehen jüngere Arbeitnehmer:innen noch größere Vorteile in Remote Work? Eine gemeinsame Studie von Controller Institut, Schulmeister Consulting und der Wirtschaftsuniversität Wien zeigt spannende Insights und neue Erkenntnisse rund um die Themen Unternehmensbindung & Co. Dafür wurden im Zeitraum von Mitte Jänner bis Mitte Februar 2023 rund 450 Mitarbeiter:innen aus dem Finanzbereich, vornehmlich Controller:innen, befragt.Multiple Krisen führen zum Wandel bei der TalentgewinnungIn den letzten Monaten hat sich ein Begriff am Arbeitsmarkt etabliert: Great Attrition beschreibt das Phänomen, dass viele Arbeitnehmer:innen ihren aktuellen Job überdenken und verlassen möchten. Nun geben in der Studie rund ein Drittel der Befragten an, dass sie einen Unternehmenswechsel planen (30 %). Nur 19 Prozent der Befragten halten es für unwahrscheinlich, dass sie das Unternehmen wechseln und gut die Hälfte der Befragten (51 %) steht einem Unternehmenswechsel neutral gegenüber. Die Bereitschaft, das eigene Unternehmen zu verlassen, ist also auf einem nie dagewesen hohem Wert. Die Ergebnisse zeigen, dass ein besonders hoher Zusammenhang zur Wechselbereitschaft bei Pendler:innen sowie bei Mitarbeiter:innen, die gerne mehr remote arbeiten möchten, als ihnen momentan von Unternehmensseite zugestanden wird, besteht.
„Die vergangenen Jahre haben die Spielregeln in den Organisationen verändert. Das Kräfteverhältnis hat sich zugunsten der Arbeitnehmer:innen verschoben“, sagt Dr. Rita Niedermayr, Geschäftsführerin des Controller Instituts und Partnerin bei EY Österreich. „Wie Unternehmen heute mit fortschreitendem Arbeitskräftemangel, Mitarbeiterbindung und Positionierung am Arbeitsmarkt umgehen, macht einen großen Unterschied, sowohl in Hinblick auf Talent Attraction als auch auf Talent Retention – also die Bindung von Mitarbeiter:innen. Erfolgreiche Unternehmen haben bereits erkannt, dass sich Investitionen in Führungskräfte wie Mitarbeiter:innen im Kontext von New Work auszahlen.“
Welche Faktoren beeinflussen die Unternehmensbindung?Die Studie zeigt, dass es mehrere Treiber gibt, die einen positiven Einfluss auf die Unternehmensbindung haben, sowohl für die bestehenden als auch für zukünftige Mitarbeiter:innen. Die Top 3 für Retention sind: Arbeitsklima (91 %), flexible Arbeitszeiten (88 %) und gute Entlohnung (87 %).
„Gerade hier müssen die Unternehmen ansetzen: Insbesondere in jenen Berufen, in denen sich während Corona gezeigt hat, dass die Arbeit aus dem Homeoffice gut funktioniert, wird die Bereitschaft, diese Flexibilität den Arbeitnehmer:innen dauerhaft anzubieten, mehr oder weniger vorausgesetzt. Jene Unternehmen, die jetzt wieder in einen Arbeitsablauf wie vor Corona zurückkehren möchten, haben massive Probleme“, zeigt sich Mag. Matthias Schulmeister überzeugt. „Remote Work - flexibel und arbeitnehmerfreundlich - garantiert noch keinen Erfolg am Talentemarkt, sondern wird als Hygienefaktor vorausgesetzt. Darüber hinaus müssen sich Arbeitgeber auch beim Thema Gehalt deutlich flexibler zeigen als in den letzten Jahren.“
Interessanterweise gibt es bei den Treibern zur erfolgreichen Anwerbung von neuen Talenten (Anmerkung: im Rahmen der Studie wurden auch Studierende befragt) starke Überschneidungen, aber auch Abweichungen zu den Arbeitnehmer:innen, denn bei den New Talents steht neben gutem Arbeitsklima und guter Entlohnung auch die Karriereentwicklung im Fokus: Studierende möchten klare Karrierepfade aufgezeigt bekommen und sich stetig weiterentwickeln können, während das Thema Nachhaltigkeit bei beiden Gruppen trotz der hohen Relevanz eher abgeschlagen rangiert.
Remote Work besonders interessant für Frauen, Pendler:innen und Young TalentsRemote Work ist seit der Corona-Pandemie stark gestiegen, doch für wen ist Remote Work nun tatsächlich interessant? Wie gestaltet sich derzeit der Anteil von Remote Work und was wünschen sich die Mitarbeiter:innen (Ist-Soll-Vergleich)? Laut der Studie sind das vor allem Frauen (52 % vs. 43 %), Pendler:innen (51 % vs. 44 %) und Young Talents (50 % vs. 45 %), die gerne mehr remote arbeiten möchten. In Bezug darauf wurde im Rahmen der Studie auch herausgefunden, dass die Führungskräfte dem Thema Remote Work etwas skeptischer gegenüber stehen als die Mitarbeiter:innen: Laut Führungskräften sollen ihre Mitarbeiter:innen weniger remote arbeiten, als es sich diese im Durchschnitt wünschen. Gleichzeitig arbeiten die Führungskräfte auch weniger remote als die Mitarbeiter:innen (34 % vs. 41 %).
„Aus unserer Sicht ist es besonders interessant, dass die Führungskräfte dem Thema Remote Work einen wesentlich geringeren Produktivitätsgewinn zuschreiben, als die Mitarbeiter:innen selbst“, sagt Prof. Dr. Isabella Grabner, Professorin für Strategy and Managerial Accounting am Institut für Unternehmensführung der WU. „Die Führungskräfte haben durchaus ein positives Bild über die Performance ihrer direkten Reports, sie sind allerdings etwas skeptischer hinsichtlich der Produktivität bei ihren Mitarbeiter:innen als die Einschätzung ihrer eigenen Leistung. Besonders spannend ist hier, dass gemäß der Ergebnisse die Einschätzung der eigenen Produktivität der Führungskräfte im Home Office die Einschätzung über die Produktivität der Mitarbeiter:innen beeinflusst.“
Auswirkungen auf Kommunikation und InteraktionGerade wenn es um das Thema Unternehmensbindung geht, spielt der Faktor Remote Work eine große Rolle, denn er hat Auswirkung auf Themen wie Kommunikation und Interaktion. Im Rahmen der Studie gaben 39 Prozent der Befragten an, dass Homeoffice starke Auswirkungen auf ihre effektive Kommunikation mit Kolleg:innen hat, ebenso sehen 39 Prozent starke Auswirkungen auf ihre Bindung zu Kolleg:innen und immerhin 33 % sagen, dass es starke Auswirkungen auf ihre Unternehmensbindung hat. Besonders wichtig scheinen diese Faktoren dann, wenn Talents noch über keine oder wenig Berufserfahrung verfügen. Denn die Studierenden sehen gerade bei zwischenmenschlichen Beziehungen (56 %) ein Problemfeld, wenn es um Remote Work geht.
Insgesamt zeigt die Studie eindrucksvoll, dass dieser Wandel alle Arbeitnehmer:innen, auch die Jüngsten in der Arbeitswelt, erreicht, und dass Unternehmen mit Remote Work und Gehalt einiges tun können, um attraktiv zu bleiben.
Seit über 40 Jahren ist das Controller Institut der marktführende Bildungspartner für Betriebswirtschaft und Führungskräfteentwicklung in Unternehmen, Non-Profit-Organisationen und der öffentlichen Verwaltung. Controlling, Accounting, Corporate Finance sowie Strategie und Führung sind dabei die thematischen Schwerpunkte. Mehr als 5.400 Teilnehmer:innen besuchen jährlich die Lehrgänge, Seminare, Tagungen und Inhouse-Trainings des Controller Instituts.Das Österreichische Controller-Institut ist der Forschungsverein, der seit seiner Gründung 1982 durch o. Univ.-Prof. Dr. Rolf Eschenbach die Entwicklung des Controllings maßgeblich vorangetrieben hat. Der Verein fördert Forschung, Lehre und Ausbildung auf den Gebieten Controlling und der Controlling-basierten Unternehmensführung. Über 500 heimische und internationale Unternehmen zählen zu den Mitgliedern des Vereins.www.controller-institut.at