- Optimistische Geschäftslage nach Corona-bedingtem Tief erneut zurückgegangen: 51 Prozent bewerten ihre Lage positiv – 2022 waren es noch 62 Prozent
- Skeptischer Blick in die Zukunft: Zwei von drei Unternehmen gehen davon aus, dass sich die Geschäftslage in den nächsten sechs Monaten verschlechtert (26 %)
- Auswirkungen der Ukraine-Krise: Gestiegene Energiekosten (65 %) und Lieferkettenprobleme (44 %)
- Konjunkturerwartungen stark eingetrübt – Investitionsdynamik auch erstmals seit 2009 wieder negativ
- Fachkräftemangel erneut größte Hauptsorge, hohe Energie- und Rohstoffpreise weitere Risiken für Unternehmen
Wien, 17. Jänner 2023. Herausforderungen wie die Ukraine-Krise, die angespannte Situation auf den Energiemärkten oder der anhaltende Fachkräftemangel haben sich spürbar auf die heimischen Unternehmen ausgewirkt: Die optimistische Einschätzung der eigenen Geschäftslage im österreichischen Mittelstand ist gegenüber dem Vorjahr merklich zurückgegangen. So bewertet nur jedes zweite Unternehmen (51 %) die eigene aktuelle Geschäftslage als rundum positiv. Im Vorjahr stimmten dem noch 62 Prozent zu.
Nichtdestotrotz bewerten die heimischen Unternehmer:innen ihre derzeitige Geschäftslage aktuell aber deutlich besser als in den Vorjahren, als COVID-19 noch die Wirtschaft hemmte. Der Anteil jener Unternehmen, die ihre Situation als uneingeschränkt positiv betrachteten, lag 2021 nur bei 37 Prozent.
Zu Jahresbeginn 2021 bezeichneten immerhin 28 Prozent der Unternehmen die eigene Geschäftslage als sehr schlecht (11 %) oder eher schlecht (17 %) – also mehr als doppelt so viele wie aktuell. Derzeit tun dies nur mehr zwölf Prozent der Unternehmen.
Je nach Branche gestaltet sich die Einschätzung jedoch unterschiedlich: Dieses Jahr sind insbesondere die Industrie (60 %) sowie Finanz- und andere Dienstleister (59 %) mit den Ergebnissen zufrieden. Der Tourismus-Sektor schätzt im Gegensatz dazu seine aktuelle Geschäftssituation deutlich weniger erfreulich ein: Nur 43 Prozent der heimischen Betriebe nehmen ihre Lage in dieser Branche als positiv wahr. Stark betroffen ist auch der Bereich Soziales, Wissenschaft, Bildung und Kultur, der die Geschäftslage nur zu 35 Prozent mit „gut“ bewertet.
Österreichs Unternehmen blicken in Summe eher skeptisch in die Zukunft, die Geschäftsaussichten und der Optimismus nach dem Corona-bedingten Tief haben sich spürbar eingetrübt: Gut jeder vierte Betrieb (26 %) rechnet für die kommenden sechs Monate mit einer Verschlechterung der eigenen Geschäftslage, das sind mehr als doppelt so viele wie vor einem Jahr (10 %). Gleichzeitig geht nur noch jeder fünfte Befragte (20 %) von einer Verbesserung der eigenen Geschäftslage aus – vor einem Jahr lag der Anteil bei 33 Prozent. Noch schlechter als derzeit waren die Geschäftserwartungen der Unternehmen zuletzt im November 2008, auf dem Höhepunkt der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise (36 %).
Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY, für die über 600 Verantwortliche von mittelständischen, nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen mit 30 bis 2.000 Mitarbeiter:innen in Österreich befragt wurden.
„2022 war für Österreichs Unternehmen wieder ein herausforderndes Jahr. Die Auswirkungen der Pandemie, die Energieverknappung und in der Folge die hohe Inflation haben vielen Unternehmer:innen zu schaffen gemacht. Dennoch ist die Geschäftslage in Summe weitaus optimistischer als das während dem Pandemie-Hoch der Fall war. Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren gelernt agil zu sein, ihre Geschäftsmodelle anzupassen und trotz der großen Unsicherheiten, die die Wirtschaft aktuell durchlebt, strategisch stets vorauszudenken und sich für die Zukunft zu rüsten“, kommentiert Erich Lehner, Managing Partner Markets und Verantwortlicher für den Mittelstand bei EY Österreich, die Ergebnisse.
Auswirkungen der Ukraine-Krise: Gestiegene Energiekosten und Lieferketten-ProblemeDie heimischen Betriebe sind von der andauernden Ukraine-Krise nicht verschont geblieben, die negativen Folgen wirken sich deutlich aus: Beinahe zwei Drittel (65 %) der Unternehmen in Österreich berichten über gestiegene Energiekosten, etwas weniger (44 %) waren mit Problemen in der Lieferkette konfrontiert. Umsatzrückgänge verzeichneten 17 Prozent, ungefähr ebenso viele eine Rückläufigkeit von Anfragen und Bestellungen (16 %). Jedes sechste Unternehmen (17 %) hat jedoch keine Auswirkungen durch die Ukraine-Krise gespürt.
„Die Situation ist in vielen Branchen sehr angespannt. Die vermehrten Ausgaben für Energie treffen fast alle Unternehmen. Die Industrie leidet vor allem unter Lieferengpässen und schwankenden Rohstoffpreisen. Die Marktpreise sind im Frühjahr 2022 erheblich gestiegen, haben sich dann stabilisiert und sind im Sommer wieder auf Vorkriegsniveau gesunken. Dennoch gestaltet sich der Markt weiterhin volatil,“ erklärt Lehner.
Zustimmung zu österreichischer Standortpolitik gesunkenGenerell stellen Österreichs Betriebe der heimischen Standortpolitik kein gutes Zeugnis aus: 41 Prozent bewerten diese negativ – das ist die höchste Unzufriedenheit seit Beginn des Untersuchungszeitraums 2015 (35 %). Gegenüber dem Vorjahr hat sich der Wert von 19 Prozent sogar mehr als verdoppelt. Gleichzeitig vergibt nur mehr jedes sechste Unternehmen eine positive Note, so wenige wie seit 2017 (15 %) nicht mehr. Noch vor drei Jahren, im Jänner 2020, bekundeten 42 Prozent der befragten Unternehmen ihre Zustimmung zur nationalen Standortpolitik.
Konjunkturerwartungen so trüb wie zuletzt 2009 – Investitionsdynamik negativ Betrachtet man die aktuelle Marktlage, haben sich auch die Erwartungen in Hinblick auf die konjunkturelle Entwicklung in den nächsten sechs Monaten deutlich verschlechtert. Mehr als zwei Drittel der Unternehmen in Österreich (67 %) gehen derzeit davon aus, dass sich die Wirtschaftslage hierzulande in den kommenden sechs Monaten verschlechtern wird – das sind mehr als dreimal so viele wie vor einem Jahr (19 %). Gleichzeitig ist der Anteil der Konjunkturoptimist:innen drastisch zurückgegangen: Nur mehr neun Prozent der heimischen Betriebe rechnen für die kommenden Monate mit einer Verbesserung der Binnenkonjunktur. Zu Jahresbeginn 2022 schätzten noch 38 Prozent der Unternehmen die allgemeine Wirtschaftslage in den kommenden Monaten positiv ein. Noch schlechter waren die Konjunkturaussichten zuletzt im Februar 2009 nach der Finanzkrise, als sogar 79 Prozent pessimistisch eingestellt waren.
Passend zu diesem Bild dürfte die Investitionsdynamik in den kommenden Monaten erstmals seit 2009 wieder negativ ausfallen: Planten im Vorjahr noch zwölf Prozent der Betriebe höhere Investitionen, werden fünf Prozent der heimischen Unternehmen unterm Strich sogar weniger investieren. Bereits in den vergangenen Jahren war die Investitionsbereitschaft rückläufig: Vor der Pandemie im Jänner 2019 wollten noch 23 Prozent verstärkt Investitionen tätigen, 2020 nur mehr 17 Prozent. Zu Jahresbeginn 2021 lag der Anteil jener, die investieren wollen, bei 19 Prozent. Damit übersteigt der Anteil der Unternehmen, die ihre Investitionen reduzieren wollen (18 %), erstmals seit 2009 wieder den Anteil derer, die verstärkt investieren wollen (13 %). Immerhin: Fast drei von vier Unternehmen (69 %) wollen ihre Investitionen konstant halten.
„Wirtschaftlich haben die österreichischen Unternehmen die Corona-Pandemie weitgehend überwunden. Die zurückgefahrenen COVID-19-Maßnahmen beeinträchtigen die heimischen Unternehmer:innen kaum mehr. Die Wirtschaftsleistung ist nun wieder auf Vorkrisenniveau. Neue Herausforderungen trüben die Konjunktur allerdings ein. Nach dem vorsichtigen Aufschwung nach dem Corona-bedingten Tief agieren die heimischen Betriebe nun mit zurückhaltenden Investitionen, konzentrieren sich darauf die Geschäftslage stabil zu halten und fahren auf Sicht“, führt Lehner aus.
Gefahrenranking: Fachkräftemangel erneut an der Spitze Der größte Stolperstein für den eigenen Betrieb ist aus Sicht der Befragten wie schon im Jahr zuvor der Fachkräftemangel. Bereits 67 Prozent betrachten die schwierige Suche nach qualifiziertem Personal als größtes Risiko (2022: 61 %). Stark gestiegen ist auch die Sorge über die hohen bzw. stark schwankenden Energiepreise (von 44 auf 66 %) sowie die Rohstoffpreise (von 49 auf 61 %). Auch die Inflation verursacht den Unternehmer:innen Kopfzerbrechen, ebenso Probleme in der Lieferkette. Weniger Gefahr für Unternehmer:innen stellt der Klimawandel dar, nur 29 Prozent sehen ihre Geschäfte dadurch bedroht.
„Auch nach dem Höhepunkt der Corona-Pandemie gab es für viele Unternehmen kein Aufatmen, denn 2022 war für die heimischen Betriebe nicht minder herausfordernd. Der enorme Fachkräftemangel, die steigenden Energiepreise oder die hohe Inflation lässt sie nur verhalten in das nächste Jahr blicken,“ so Lehner.
Blick in die Bundesländer: Steiermark und Tirol mit bester GeschäftslageDie aktuelle Geschäftslage wird in der Steiermark und Tirol von je 57 Prozent der Unternehmen als gut eingeschätzt, gefolgt von Wien (55 %). Das Schlusslicht bildet erneut das Burgenland – hier bewerten nur 38 Prozent die Geschäftslage positiv. Das Bundesland Oberösterreich, das letztes Jahr in diesem Ranking auf Platz 1 lag, fällt auf Rang 6 im regionalen Vergleich zurück: Nur 49 Prozent bezeichnen die Geschäftslage als gut.
Der Blick in die Zukunft gestaltet sich bei den steirischen Unternehmen jedoch nicht so rosig: Nur zehn Prozent rechnen damit, dass sich die eigene Geschäftslage verbessern wird. Tirol (33 %) und Wien (28 %) sind dahingehend am optimistischsten. Auch die Vorarlberger:innen erwarten sich bessere Geschäfte (24 %).
In den kommenden sechs Monaten wollen Unternehmen aus Wien (23 %), Vorarlberg (21 %) und Salzburg (14 %) am stärksten investieren. Kärntner Unternehmen sind dahingehend am zurückhaltendsten, die Investitionsbereitschaft liegt hier bei nur fünf Prozent. Auch in Niederösterreich ist diese mit sechs Prozent nur wenig höher, gefolgt von Tirol mit elf Prozent.