- 83 Prozent der österreichischen Energiemarktakteure bewerten ihre Geschäftslage positiv
- 41 Prozent erwarten für 2025 sinkende Umsätze, 46 Prozent geringere Gewinne
- 87 Prozent blicken dennoch optimistisch in die kommenden zehn Jahre
- Künstliche Intelligenz und Digitalisierung zählen zu den Top-Themen der Branche
- Mehrheit sieht größte Hebel für die Energiewende in Wärmeversorgung, Speicherung und Netzausbau – fordert jedoch klarere regulatorische Rahmenbedingungen
Wien, 11. Dezember 2025. Die österreichische Energiewirtschaft steht 2025 an einem Wendepunkt: Während die großen Player weiterhin solide Ergebnisse verzeichnen, verschärfen sich wirtschaftlicher Druck, regulatorische Komplexität und gesellschaftliche Erwartungen. 83 Prozent der Unternehmen bewerten ihre Geschäftslage im abgelaufenen Jahr positiv – ein Zeichen für Stabilität in einer Phase multipler Transformationen.
Allerdings ist der Anteil derer, die den eigenen Erfolg als „sehr gut“ einstufen, zum dritten Mal in Folge gesunken (2023: 51 Prozent, 2024: 46 Prozent). Besonders kleinere Energieunternehmen mit einem Jahresumsatz unter 50 Millionen Euro zeigen sich zunehmend verhalten. Das sind die Ergebnisse einer Umfrage der Wirtschafsprüfungs- und Beratungsorganisation EY, die auf einer Online-Befragung von 109 österreichischen Energiemarktakteur:innen, darunter Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer:innen und Bereichsleiter:innen führender Energieunternehmen basiert.
„Wir erleben eine Phase doppelter Herausforderung: Die Energiewirtschaft investiert massiv in Dekarbonisierung und Digitalisierung – gleichzeitig steigen regulatorische Anforderungen und Investitionskosten“, sagt Christina Khinast-Sittenthaler, Partnerin und Leiterin des Energiesektors bei EY Österreich. „Trotzdem blickt die Branche mit bemerkenswerter Zuversicht in die Zukunft – das zeigt, wie groß der Gestaltungswille ist.“
Verhaltene Geschäftsaussichten für 2025 – aber Optimismus bis 2035Nur 30 Prozent der Energiemarktakteur:innen rechnen für das laufende Jahr mit steigenden Umsätzen, 41 Prozent hingegen mit Rückgängen. Noch pessimistischer sind die Erwartungen beim Gewinn: Lediglich 14 Prozent erwarten Zuwächse, während fast die Hälfte (46 %) mit sinkenden Ergebnissen rechnet.
Trotz dieser Eintrübung bleibt der Blick nach vorne positiv: 87 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass sich die Branche langfristig stabil entwickeln wird – vor allem durch technologische Fortschritte und den Ausbau erneuerbarer Energiequellen. Unternehmen mit höheren Umsätzen (> 200 Millionen Euro) zeigen sich deutlich optimistischer als kleinere Akteure. Die Stimmung verdeutlicht: Kurzfristig bremsen Kosten und Bürokratie, langfristig überwiegt der Fortschrittsglaube.
Top-Themen 2025: KI, Digitalisierung und NetzausbauWährend im Vorjahr noch Personalgewinnung und Cybersecurity im Fokus standen, dominieren 2025 eindeutig Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Prozessoptimierung sowie der Ausbau erneuerbarer Energien und Netze. Besonders die Bedeutung von KI ist stark gestiegen: 89 Prozent der Befragten sehen darin großes Potenzial für die Weiterentwicklung ihres Unternehmens – ein Sprung um mehr als 20 Prozentpunkte gegenüber 2024.
Größere Energieversorger investieren bereits in KI-gestützte Lastprognosen, Wartungsplanung und Kundenkommunikation.
„Künstliche Intelligenz ist kein Zukunftsthema mehr – sie verändert schon jetzt die Art, wie Energie produziert, verteilt und verbraucht wird,“ erklärt Khinast-Sittenthaler. „KI wird zu einem zentralen Faktor für Versorgungssicherheit, Flexibilität und Netzstabilität – und damit für die gesamte Wettbewerbsfähigkeit des Energiesektors.“
Es wird erwartet, dass die Themen Digitalisierung und KI noch weiter Fahrt aufnehmen werden, sobald das Erneuerbare-Energien-Gesetz (ElWG) beschlossen ist. Eine größere Transparenz bei den Stromdaten und flexible Preise bieten zusätzliches Potenzial, den Stromverbrauch zu optimieren und so die Effizienz der gesamten Energieversorgung zu steigern.
Learnings aus der Energiepreiskrise: Resilienz durch DiversifizierungDie Energiepreisschwankungen der vergangenen Jahre haben Spuren hinterlassen – und zu tiefgreifenden Veränderungen geführt. Ein rascher Ausbau der Erneuerbaren wird als entscheidend angesehen, um die Energiepreise langfristig zu stabilisieren und unabhängig von Importen zu sein. Eine größere Eigenversorgung und die Schaffung von mehr Erzeugungskapazitäten im Land würden die Marktpreisbildung entlasten. Dies ist besonders wichtig, da die Abhängigkeit von externen Energiequellen weiterhin hoch ist.
Um sich unabhängiger vom internationalen Energiemarkt zu machen, setzen die meisten Unternehmen auf den Ausbau der Eigenversorgung (67 %), die Sicherung des Energiebezugs (49 %) sowie Power Purchase Agreements (PPAs). Bereits fast die Hälfte (48 %) nutzt PPAs aktiv, weitere 33 Prozent planen den Einsatz in den nächsten fünf Jahren. Diese langfristigen Stromlieferverträge gelten als zentrale Säule der Dekarbonisierung und Preisstabilität – insbesondere für Großverbraucher.
Dekarbonisierung: Strategisch, aber komplexDrei Viertel der Unternehmen haben eine klare Dekarbonisierungsstrategie. So verfügen bereits 73 Prozent der Energiemarktakteure über eine solche Strategie, 27 Prozent haben noch keine oder befinden sich in der Erstellung.
Schwerpunkte der Strategien sind der Ausbau erneuerbarer Energien, die Elektrifizierung der Flotten sowie Investitionen in Speicher- und Wärmepumpentechnologien. 82 Prozent halten den Ausbau der Erneuerbaren Energien im eigenen Unternehmen für rentabel. Gleichzeitig stehen 92 Prozent der Befragten vor der Herausforderung, die CSRD-Nachhaltigkeitsberichtspflichten zu erfüllen. 37 Prozent sehen darin sogar eine große Belastung – insbesondere aufgrund fehlender Ressourcen und Dateninfrastruktur.
Omnibus-Verordnung: Geringe Auswirkungen auf DekarbonisierungsstrategienDie Omnibus-Verordnung der Europäischen Union hat bislang nur geringe Auswirkungen auf die Dekarbonisierungsstrategien der Energiemarktakteure. 61 Prozent der Befragten geben an, dass die Verordnung keine Auswirkungen auf den Stellenwert der Dekarbonisierung in ihren Unternehmen hat. Ein untergeordneter Anteil (22 %) berichtet jedoch, dass Dekarbonisierungspläne verschoben oder sogar abgesagt wurden, insbesondere bei kleineren Unternehmen mit Jahresumsätzen von bis zu 50 Millionen Euro.
Wasserstoff als Schlüsseltechnologie: Hohe Relevanz für KlimazieleDie Relevanz von Wasserstoff für die Erreichung nationaler Klimaneutralitätsziele (bis 2040) und europäischer Ziele (bis 2050) wird von 58 Prozent der Befragten als „sehr hoch“ oder „hoch“ eingeschätzt. Im Vergleich dazu halten nur 41 Prozent den Energieträger für relevant für die eigenen Nachhaltigkeitsziele der Unternehmen. Diese Einschätzungen verdeutlichen, dass Wasserstoff besonders für die Erreichung der Klimaneutralitätsziele von entscheidender Bedeutung ist, bei vielen Unternehmen in der eigenen strategischen Planung aber nicht die gleiche Rolle spielt. „Die Perspektive auf Wasserstoff als Schlüsseltechnologie ist klar: Er wird für die Klimaziele auf europäischer und nationaler Ebene entscheidend sein. Dennoch ist die Relevanz für die eigenen Unternehmensziele unterschiedlich – besonders bei kleineren Akteuren bleibt der Fokus noch auf anderen Technologien,“ ergänzt Christina Khinast-Sittenthaler.
Energiewende: Realistisch erst nach 2040Nur 40 Prozent der Befragten halten das Ziel der österreichischen Bundesregierung, bis 2040 klimaneutral zu werden, für realistisch. 58 Prozent rechnen mit einer späteren Umsetzung, 16 Prozent sogar erst nach 2050. Als größte Hindernisse nennen sie die langwierigen Genehmigungsverfahren (82 %) sowie die mangelnde öffentliche Akzeptanz (67 %). Dennoch zeigen sich viele Unternehmen lösungsorientiert: Fast drei Viertel (73 %) verfügen bereits über konkrete Pläne zur Realisierung der Wärmewende – häufig durch Fernwärme, Geothermie und Großwärmepumpen.
Die Mehrheit der Befragten (57 %) ist überzeugt, dass ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um die Energiewende umzusetzen – ein Anstieg gegenüber 2024, als noch über die Hälfte skeptisch war. 71 Prozent der Befragten, die die Finanzmittelausstattung für die Energiewende für nicht ausreichend halten, halten staatliche Förderungen für Investitionen als die geeignetste finanzielle Unterstützung zur Umsetzung der Energiewende. 53 Prozent der Akteure bevorzugen zudem attraktive Zinssätze für Kredite.
Investitionen und Technologien: Photovoltaik, Speicher, WindDie Studie zeigt, dass der Ausbau erneuerbarer Energien in der Branche breit abgestützt ist. 85 Prozent der befragten Unternehmen investieren in Photovoltaik, 72 Prozent in Speichertechnologien, 57 Prozent in Windkraft und 54 Prozent in Wärmepumpen. Damit setzt der österreichische Energiesektor konsequent auf eine Kombination aus Stromerzeugung, Speicherung und Wärmeversorgung, um Versorgungssicherheit, Unabhängigkeit und Klimaziele gleichermaßen zu erreichen.
Digitalisierung und KI als Treiber der TransformationNeben Dekarbonisierung bleibt Digitalisierung das zweite große Leitmotiv.
Cybersecurity und Smart Metering gelten als relevanteste Digitaltechnologien, während Blockchain und Virtual Reality als weniger bedeutsam eingestuft werden.
Im internen Betrieb stehen Prozessdigitalisierung, End-to-End-Optimierung und kundenzentrierte Services im Fokus. Viele Energieversorger sehen sich dabei im Branchenvergleich bereits „überdurchschnittlich aufgestellt“. Die Transformation zu Energie- und Infrastrukturdienstleistern wird zunehmend als Chance begriffen – insbesondere, wenn Kundendaten intelligent genutzt werden.
Sektorkonvergenz: Kooperation statt KonkurrenzEin weiteres zentrales Ergebnis der Studie ist die wachsende Vernetzung zwischen Branchen.
Größte Synergiepotenziale sehen Energieunternehmen in der Zusammenarbeit mit der Wärmeindustrie, der Wohnungswirtschaft und der Telekommunikationsbranche.
Auch branchenfremde Akteure werden zunehmend als Wettbewerber wahrgenommen: Besonders die Technologie- und IT-Branche gilt als zentrale neue Konkurrenz, gefolgt von der Telekommunikation. „Sektorenübergreifende Kooperationen sind der Schlüssel zur Resilienz,“ sagt Khinast-Sittenthaler. „Je stärker Energieversorger, Technologieanbieter und Kommunen zusammenarbeiten, desto schneller können Lösungen entstehen – von smarter Netzinfrastruktur bis hin zu dezentralen Geschäftsmodellen.“
Forderungen an die Politik: Klarheit, Tempo, PlanbarkeitDie politischen Erwartungen der Branche sind eindeutig: An erster Stelle stehen klarere regulatorische Rahmenbedingungen, gefolgt von schnelleren Genehmigungsverfahren und einer Entbürokratisierung von Förderprozessen. Zudem fordern viele Unternehmen steuerliche Anreize für Investitionen in Netzausbau, Digitalisierung und Speichertechnologie.