- Unternehmen, die Vorreiter in Sachen Diversitätsmaßnahmen sind, schneiden bei Innovationsfähigkeit und finanziellem Erfolg deutlich besser ab
- Acht von zehn Unternehmen setzen Maßnahmen zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit und kulturellen Vielfalt um
- Menschen mit Migrationshintergrund fühlen sich in Österreich häufig am Arbeitsmarkt benachteiligt
Wien, 4. April 2024. Der Vielfalt – oft auch Diversität genannt – wird in Wirtschaftskreisen schon seit längerem eine positive Wirkung auf den Unternehmenserfolg nachgesagt. Eine Studie von EY-Parthenon zeigt nun auch in Zahlen, dass Diversitätsmaßnahmen für Unternehmen auch finanziellen Mehrwert bieten: So schneiden österreichische Unternehmen, die zu den Vorreitern in Sachen Diversität zählen, beim finanziellen Erfolg häufiger besser ab als Unternehmen, die einen geringeren Fokus auf diversitätsfördernde Maßnahmen legen. Vier von den sechs Unternehmen, die in Österreich zu den Diversitätsvorreitern zählen, konnten im letzten Jahr finanzielles Wachstum erzielen, bei den restlichen Betrieben war es nur jeder zweite. Auf europäischer Ebene zeigt sich ein ähnliches Bild, hier erzielten 71 Prozent der Diversitätsvorreiter finanziellen Erfolg, in der Vergleichsgruppe waren es hingegen nur 58 Prozent. Auch in anderen Kategorien wie Innovationsfähigkeit (Österreich +15 %; Europa +4 %), Produktivität (Österreich +10 %; Europa +17 %) und Zufriedenheit der Belegschaft (Österreich +11 %; Europa +19 %) haben Unternehmen mit starkem Fokus auf Diversität einen deutlichen Vorsprung.
„Die Studie bestätigt die positive Wirkung von Diversität auf den Unternehmenserfolg und quantifiziert sogar den damit verbundenen finanziellen Mehrwert. Unternehmen müssen Diversität aktiv fördern und als integralen Bestandteil ihrer Unternehmensstrategie und -kultur verankern. Das beinhaltet die Einführung entsprechender Maßnahmen zur Förderung von Vielfalt und Inklusion, wie beispielsweise spezielle Schulungen für Führungskräfte, faire Einstellungs- und Beförderungspraktiken, flexible Arbeitsbedingungen oder Programme zur Förderung von Minderheiten und unterrepräsentierten Gruppen“, sagt Benjamin Bernhard, Senior Manager bei EY-Parthenon in Österreich.
Für die Studie wurden im Herbst 2023 1.800 Arbeitnehmer:innen in neun europäischen Ländern befragt, darunter 200 Personen aus Österreich. Die Hälfte der Befragten ist in einer Führungsposition tätig, etwa 80 Prozent arbeiten in Betrieben mit mehr als 250 Mitarbeitenden.
Diversitätsmaßnahmen: Fokus auf Geschlechtergleichstellung und kulturelle VielfaltEin Großteil der österreichischen Unternehmen hat bereits Maßnahmen zur Förderung von Diversität im eigenen Betrieb umgesetzt oder ist gerade dabei, das zu tun. Bereits vier Fünftel der heimischen Betriebe haben Maßnahmen zur Förderung der Geschlechtergleichheit (82 %) und kulturellen Diversität (78 %) ergriffen. Deutlich mehr als die Hälfte trifft auch Maßnahmen zur Förderung der Diversität in der Dimension LGBTQIA+ (64 %), etwas weniger fördern sozioökonomische Diversität (58 %). Weit hinten angestellt ist hingegen die Förderung zur Integration von Menschen mit Behinderungen (41 %).
Bernhard dazu: „Die Bedeutung einer inklusiven Arbeitsumgebung, die Vielfalt fördert und Chancengleichheit bietet, steigt in einer globalisierten Welt und ist essenziell für den Unternehmenserfolg. Österreichische Unternehmen verstehen das zunehmend und setzen Maßnahmen zur Förderung verschiedener Formen von Diversität um – ein positiver Trend, der noch ausbaufähig ist.“
Das fängt gemäß Bernhard schon im richtigen Ansatz beim Recruiting an. Und genau hier sind österreichische Unternehmen ihren europäischen Mitbewerbern einen Schritt voraus: Ein Drittel der Befragten Führungskräfte (34 %) gab an, dass ihr Unternehmen Blindbewerbungen mithilfe anonymer Lebensläufe eingeführt habe – das sind deutlich mehr als der europäische Durchschnitt (28 %). Fast die Hälfte der österreichischen Unternehmen (48 %) hat einen stark an Werten orientierten Recruitingansatz eingeführt (Europaschnitt: 39 %), fast genauso viele (44 %) passen die Interviewformate an, um Personen mit einer Behinderung – Stichwort „Barrierefreiheit“ – gerecht zu werden (Europaschnitt 32 %).
„Österreichische Unternehmen müssen die Diversität durch Weiterbildungsmaßnahmen in Führungspositionen steigern und transparente Beurteilungskriterien für Gehalt und
Beförderungen schaffen. Nur so kann die Leistungsbeurteilung nachvollziehbar und damit auch gerecht sein. Die Rekrutierung und Förderung vielfältiger Talente muss als Teil der Unternehmensstrategie gesehen werden – denn sie sichert langfristige Wettbewerbsvorteile und stärkt die Unternehmenskultur“, führt Bernhard aus.
Inklusionsgefühl in Österreich geringer als im EuropavergleichHerausforderungen beinhaltet die Förderung eines umfassenden Inklusionsgefühls: Seltener als der europäische Durchschnitt (49 %) gaben österreichische Befragte an (41 %), sie selbst am Arbeitsplatz sein zu können. Nicht-Führungskräfte melden hierzulande auch viel seltener Diskriminierungsfälle, beispielsweise über Whistleblowing-Kanäle (36 % im Vergleich zu einem Durchschnitt von 45 %).
„Unternehmen müssen daran arbeiten, ein vertrauensvolles Umfeld zu schaffen. Dafür braucht es reaktionsschnellere und robustere Prozesse und eine Null-Toleranz-Politik gegenüber falschem Verhalten“, so Bernhard.
Gefragt wurde auch nach negativen Erfahrungen am Arbeitsplatz. Am häufigsten wurde hier in Österreich die Bevorzugung durch Führungskräfte (44 %) genannt. Auffällig in diesem Zusammenhang: Arbeitnehmer:innen mit Migrationshintergrund müssen häufiger negative Verhaltensweisen am Arbeitsplatz erleben. So sehen sich beispielsweise 29 Prozent der Arbeitnehmer:innen mit Migrationshintergrund Mobbing durch Kolleg:innen oder Vorgesetzte ausgesetzt, bei Arbeitnehmer:innen ohne Migrationshintergrund sind es nur 17 Prozent. Auch berichtet mehr als ein Drittel (38 %) der Befragten mit Migrationshintergrund von Diskriminierung durch Kolleg:innen oder Vorgesetzte, wohingegen es bei Menschen ohne Migrationshintergrund nur 21 Prozent sind.
Bernhard sieht für österreichische Unternehmen noch Handlungsbedarf, wenn es um Gleichbehandlung und Fairness am Arbeitsplatz geht: „Sowohl Führungskräfte als auch Unternehmensleitungen sind gefordert, ein positives Arbeitsumfeld für alle zu schaffen, unabhängig vom kulturellen Background.“
Menschen mit Migrationshintergrund fühlen sich häufiger benachteiligtÖsterreichische Arbeitnehmer:innen mit Migrationshintergrund nehmen auch ihre Karriereperspektiven im Unternehmen deutlich schlechter wahr: So empfindet jede:r zweite Befragte ohne Migrationshintergrund die Karrierechancen als gut (50 %), während es bei Menschen mit Migrationshintergrund nur jede:r vierte ist (25 %). Auch die Fairness und Transparenz der Entlohnung beurteilen Arbeitnehmer:innen mit Migrationshintergrund weniger häufig positiv (50 % im Vergleich zu 71 %). Ähnliche Tendenzen zeigen sich auch in den restlichen europäischen Ländern, jedoch deutlich weniger stark ausgeprägt.
Bernhard dazu: „Wir sind ein Land der kulturellen Vielfalt, knapp jede:r vierte Österreicher:in hat heute eine Migrationsgeschichte. Dieser kulturelle Schmelztopf ist nicht nur die Basis unserer Gesellschaft, sondern auch des Arbeitsmarkts. Gerade in Anbetracht der alternden Bevölkerung dürfen wir uns nichts vormachen: Bis 2040 rechnen Expert:innen mit einem Anstieg der offenen Stellen um 76 Prozent. Die Zuwanderung ist entscheidend für die Deckung dieses Arbeitskräftebedarfs und damit auch des Wohlstands in unserem Land“.