- 82 Prozent der befragten Restrukturierungs-Expert:innen aus europäischen Banken rechnen inzwischen erst 2026 oder später mit dem Höhepunkt der Restrukturierungswelle – sechs Monate später als noch im Frühjahr prognostiziert
- Österreichs am stärksten betroffene Sektoren: Automotive (24 %), Retail (21%), Immobilien (19 %), Konsumgüter (12%), und Bau/Building Materials (10 %)
- Wichtigste Auslöser in Österreich: Schwache Konjunktur (26 %), Umsatzrückgänge (22 %), steigende Energie- und Materialkosten (14 %)
- Osteuropa entwickelt sich zum Hotspot des Restrukturierungsdrucks (45 % erwarten zweistellige Anstiege)
Wien, 9. Dezember 2025. Die Restrukturierungsaktivität in Österreich steigt spürbar und über dem europäischen Trend. Das zeigt die aktuelle EY-Parthenon European Restructuring Pulse Survey, für die knapp 200 „Workout Bankers“, also Restrukturierungs- und Sanierungs-Expert:innen in Banken, aus über 30 Ländern befragt wurden – darunter 15 aus Österreich. Während europaweit rund 52 Prozent der Befragten im ersten Halbjahr 2025 einen Anstieg der Restrukturierungsfälle meldeten, liegt dieser Wert in Österreich nahezu gleich auf. Für das zweite Halbjahr rechnen europaweit 59 Prozent mit weiteren Zuwächsen – in Österreich erwarten dies über drei Viertel (80 %) der befragten Banken.
Damit wird deutlich: Österreich steht unter überdurchschnittlichem Restrukturierungsdruck und spürt die wirtschaftlichen Belastungen früher und stärker als viele andere europäische Märkte. Gleichzeitig verschiebt sich der erwartete Höhepunkt der Restrukturierungswelle in ganz Europa weiter nach hinten. Mehr als vier Fünftel der europäischen Befragten gehen davon aus, dass der Peak erst 2026 oder später erreicht wird. Die österreichischen Befragten sehen eine frühere Entwicklung: 60 Prozent erwarten den Höhepunkt bereits im zweiten Halbjahr 2025.
„Die Ergebnisse zeigen sehr klar, dass sich der Restrukturierungsdruck zeitlich verschiebt, aber keinesfalls abnimmt“, sagt Ben Trask, Partner bei EY-Parthenon Österreich. „Für österreichische Unternehmen bedeutet das, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, Finanzierung und operative Prozesse kritisch zu prüfen – bevor sich der Spielraum spürbar verengt.“
Rückläufige Umsätze und schwache Konjunktur als wichtigste Treiber
Zu den zentralen Auslösern der steigenden Restrukturierungstätigkeit zählen in Österreich vor allem eine schwächere wirtschaftliche Entwicklung (26 %) sowie rückläufige Umsätze (22 %). Im Unterschied zu Europa, wo sich Energie- und Rohstoffpreise zuletzt etwas beruhigt haben, bleiben diese Faktoren in Österreich weiterhin besonders relevant: 14 Prozent der Befragten sehen die steigenden Energie- und Materialkosten als wichtigste Treiber.
Geopolitische Belastungen, zunehmende Arbeitskosten und eine fragmentierte Handelspolitik verstärken den Druck zusätzlich und führen dazu, dass Unternehmen nicht abrupt, aber kontinuierlich unter Stress geraten.
Industrie und Immobilienwirtschaft besonders betroffen
Wie in Europa konzentrieren sich die wirtschaftlichen Spannungen auch in Österreich auf die industriellen Kernbranchen. Der Automotive-Sektor zählt mit 24 Prozent der Nennungen zu den am stärksten belasteten Bereichen, ebenso wie der Sektor Construction & Building Materials, der 10 Prozent erreicht – ein Wert, der hierzulande stärker ausgeprägt ist als im europäischen Durchschnitt.
Das produzierende Gewerbe liegt bei rund sieben Prozent, damit etwas günstiger als die europaweit schwierigen Rahmenbedingungen. Besonders bemerkenswert ist jedoch der österreichische Immobiliensektor, der mit 19 Prozent überproportional häufig genannt wird –deutlich höher als die europaweiten Werte.
„Österreich ist aufgrund seiner Branchenstruktur besonders sensibel gegenüber industriellem Gegenwind“, erklärt Ben Trask weiter. „Die Kombination aus hoher Industrieabhängigkeit, einem angespannten Immobilienmarkt und gestiegenen Finanzierungskosten trifft viele Unternehmen gleichzeitig. Wer nicht frühzeitig gegensteuert, riskiert, in eine Restrukturierungsdynamik hineingezogen zu werden.“
Regionale Divergenz verstärkt die Unsicherheit
Während Osteuropa europaweit die höchste erwartete Zunahme an Restrukturierungen zeigt, bleiben die nordischen Länder vergleichsweise stabil. Österreich liegt im europäischen Mittelfeld, ist aber aufgrund seiner engen wirtschaftlichen Verbindung zu Deutschland und Mitteleuropa besonders anfällig für strukturelle Branchenprobleme, insbesondere in der Industrie.
Konsensuale Lösungen dominieren – Österreich setzt stärker auf Stabilität
Trotz der steigenden Fallzahlen bevorzugen österreichische Banken weiterhin außergerichtliche und konsensuale Lösungen. 80 Prozent der österreichischen Befragten gaben an, dass die meisten Fälle in ihrem Portfolio über außergerichtliche Verfahren abgewickelt wurden – deutlich mehr als im europäischen Durchschnitt (rund 85 %).
Die am stärksten verbreitete Restrukturierungsform bleibt in Österreich die klassische Verlängerung und Anpassung von Krediten, die rund ein Viertel der Befragten (22 %) als häufigste Maßnahme nennt. Dahinter folgen operative Sanierungsschritte und die Insolvenz/Liquidation. Gleichzeitig zeigt sich ein Trend zu flexibleren Lösungen: 27 Prozent der Expert:innen berichten, dass Unternehmen zunehmend bestehende Kreditverträge anpassen oder interne Finanzierungsbausteine neu ordnen, um ihre Situation kurzfristig zu stabilisieren.
Bei der Bereitstellung neuen Kapitals dominiert ein vertrautes Bild: Der Großteil der Mittel stammt von bestehenden Kreditgebern (52 %) und bestehenden Eigentümern (28 %). Neue Investoren – darunter Distressed Funds oder Private-Equity-Häuser – spielen zwar eine wachsende Rolle, sind aber weiterhin in der Minderheit.
„Die wirtschaftliche Stabilisierung sowohl in Österreich als auch in Europa wird länger dauern als noch Anfang des Jahres erwartet. Unternehmen, die frühzeitig Maßnahmen ergreifen, ihre Kapitalstrukturen optimieren und ihre Geschäftsmodelle weiterentwickeln, werden die größten Chancen haben, aus dieser Phase gestärkt hervorzugehen“, so Trask abschließend.