- IPO-Aktivität im 2. Quartal mit 310 Börsengängen etwa auf Vorjahresniveau, Emissionsvolumen schrumpft um fünf Prozent
- Europa mit gestiegenem Emissionsvolumen, aber weniger IPOs
- Unternehmen im Technologiesektor und mit nachhaltigen Geschäftsmodellen weiter im Fokus von Investor:innen
- Höhere IPO-Aktivität im zweiten Halbjahr erwartet
- Internationale Großanleger:innen gehören zu den bedeutendsten Anlegergruppen im ATX Prime: US-amerikanische Großinvestor:innen halten größten Anteil am Gesamtvolumen
Wien, 29.06.2023. Weltweit bleiben Unternehmen bei Börsengängen zurückhaltend: Insgesamt wagten im zweiten Quartal weltweit 310 Unternehmen den Sprung aufs Parkett – drei Prozent weniger als im ebenfalls eher schwachen Vorjahresquartal. Auch das Emissionsvolumen schrumpfte weiter: um fünf Prozent auf 39,0 Milliarden US-Dollar.
Dabei war die Entwicklung in den großen Regionen sehr unterschiedlich: So ging es in China bei der Zahl der IPOs um 28 Prozent und beim Emissionsvolumen um zehn Prozent aufwärts, während in Europa weniger Unternehmen den Schritt an die Börse wagten: Die Zahl der IPOs sank um 27 Prozent auf 33. Das Emissionsvolumen kletterte aber um 58 Prozent auf 2,7 Milliarden US-Dollar.
Auch in den USA wurden zwar Zuwächse erzielt – um 15 Prozent bei der Zahl der Börsengänge und sogar um 167 Prozent beim Emissionsvolumen. Mit 31 Börsengängen, die zusammen 6,3 Milliarden US-Dollar einbrachten, blieben die IPO-Aktivitäten aber auf einem im Langzeitvergleich relativ niedrigen Niveau.
Vom weltweiten Emissionsvolumen von 39,0 Milliarden US-Dollar entfielen zehn Milliarden auf Technologieunternehmen. Zudem waren drei der fünf größten Börsengänge des zweiten Quartals Tech-IPOs: Die beiden chinesischen Halbleiterhersteller Nexchip Semiconductor und SMEC erlösten 1,9 bzw. 1,8 Milliarden US-Dollar, und der chinesische Solarmodulhersteller CSI Solar erzielte knapp eine Milliarde US-Dollar. Der größte Börsengang des Quartals fand aber in den USA statt: Die Consumer Health-Sparte des Pharmakonzerns Johnson & Johnson erzielte bei ihrem IPO unter dem Namen Kenvue ein Emissionsvolumen von 4,4 Milliarden US-Dollar.
Das sind Ergebnisse des aktuellen IPO-Barometers des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY.
„Weltweit ist der Markt für Börsengänge aufgrund der geopolitischen Spannungen und der Zinswende weiterhin geprägt von Vorsicht“, beobachtet Stefan Uher, Leiter der Wirtschaftsprüfung bei EY. „Viele Unternehmen verharren in der Warteposition und hoffen auf ein besseres Investorensentiment und eine höhere Marktliquidität.“ Aber es sei dennoch Bewegung im Markt, so Uher: „Die Volatilität ist gesunken und das Kursniveau an den Weltbörsen ist relativ hoch.“ Allerdings seien Investor:innen aufgrund der Zinserhöhungen bei der Auswahl ihrer Anlageziele selektiver geworden: „Wir haben einen Käufermarkt. Da ist es für Börsenkandidat:innen umso wichtiger, eine qualitativ hochwertige Equity Story bieten zu können und die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells sowie eine gute Corporate Governance demonstrieren zu können.“
Bremsend wirke sich hingegen die konjunkturelle Unsicherheit aus, so Uher: „Die wirtschaftliche Erholung scheint sich weiter nach hinten zu verschieben, weitere erwartete Zinserhöhungen und die geopolitischen Spannungen sorgen für Unsicherheit.“ Diese führe dazu, dass der IPO-Markt gerade keine klare Richtung finde, was sich auch daran zeige, dass die Zahlen weitgehend auf Vorjahresniveau liegen, so Uher. „Gleichzeitig wächst die Pipeline in Europa.“
Der europäische IPO-Markt könne sich wieder erholen, wenn die dringend benötigte Liquidität wiederhergestellt werde. Aber: „Die Anleger:innen werden weiterhin selektiv vorgehen und sich auf Unternehmen mit soliden Fundamentaldaten und einer nachgewiesenen Erfolgsbilanz konzentrieren. Zu den Sektoren, die bei Investor:innen auf Interesse stoßen, gehören Technologie sowie Unternehmen mit ESG-bezogenen Geschäftsmodellen.“ Zudem rechnet Uher nach dem Kenvue-Börsendebut im Jahresverlauf mit weiteren großen Unternehmensabspaltungen und Carve-Out-Börsengängen sowie einer höheren IPO-Aktivität im zweiten Halbjahr.
Wiener Börse: Österreichische Aktien international hoch im Kurs Internationale institutionelle Investor:innen – dazu zählen etwa Fondsgesellschaften oder Staatsfonds – gehören zu den bedeutendsten Anlegergruppen im ATX Prime, das zeigt eine aktuelle Investorenstudie der Wiener Börse. Demnach entfallen 90,9 Prozent (22,1 Mrd. Euro) des institutionell gehaltenen Streubesitzes auf internationale Großanleger:innen. Den größten Anteil am institutionell gehalten Streubesitz im ATX Prime besitzen nach wie vor US-amerikanische Großinvestor:innen mit einem Anteil am Gesamtvolumen von 32,7 Prozent.
Sowohl die BKS Bank als auch die Lenzing AG haben im zweiten Quartal eine Kapitalerhöhung gestartet. Mit den neuen am Markt platzierten Aktien konnte die BKS Bank knapp 38 Millionen Euro Bruttoemissionserlös erzielen. Beim österreichischen Faserhersteller Lenzing AG ist aktuell eine vollständig garantierte Kapitalerhöhung mit Bezugsrechten über rund 400 Millionen Euro am Laufen. Zudem notiert der zweite Green Bond der Republik Österreich im „Vienna ESG Segment“ der Wiener Börse. Ebenfalls neu in diesem Segment ist die Banca Comerciala Romana (BCR), die als erste rumänische Bank eine grüne Eurobond (Emissionsvolumen 700 Mio. Euro) emittiert hat. Ecuadors Galápagos Marine Bond (656 Mio. USD) verzeichnet als weltweit größte debt-for-nature-Transaktion YTD über 3.100 neue Listings und ein Gesamtvolumen von 730 Milliarden Euro mit über 800 aktiven Emittenten aus 38 Ländern.
Emissionen von Mantelgesellschaften (SPACs) kommen weitgehend zum ErliegenWeltweit wurden im ersten Quartal 13 SPACs mit einem Volumen von insgesamt 1,6 Milliarden US-Dollar neu emittiert. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist das Emissionsvolumen damit um 52 Prozent geschrumpft, die Zahl der SPAC-Emissionen ging sogar um 64 Prozent zurück.
„Es gibt kaum noch neue SPAC-Emissionen, der Boom ist vorüber“, stellt Uher fest. „Und bestehende SPACs stehen stark unter Druck: Viele SPACs sind auf der Suche nach geeigneten Kandidat:innen für Zusammenschlüsse, und die Zeit drängt, um innerhalb der Laufzeit das eingesammelte Kapital sinnvoll zu investieren. SPAC-Investor:innen fordern außerdem oft ihre Einlagen zurück, so dass weniger Geld als geplant für die angestrebte Fusion mit einem operativ tätigen Unternehmen zur Verfügung steht. Zudem drückt die überwiegend schlechte Aktienperformance von SPAC-Zusammenschlüssen auf das Investorensentiment.“