- Widerstandsfähigkeit unter Beweis gestellt: Trotz herausforderndem Marktumfeld verfügen alle österreichischen Versicherer über robuste Eigenkapitalausstattung
- SCR-Quote von 255 Prozent liegt weiterhin deutlich über der regulatorischen Mindestanforderung von 100 Prozent
- Prämiensteigerung übertrifft mit 5,5 Prozent die Inflationsrate von 2,9 Prozent deutlich
- Vienna Insurance Group AG führt mit 398 Prozent das Ranking der kapitalstärksten Versicherer an
- Eigenmittel von höchster Qualität: Über 96 Prozent als Tier 1-Kapital klassifiziert
Wien, 30. Juni 2025. Österreichs Versicherungsbranche zeigt sich trotz eines von Naturkatastrophen und Marktvolatilität geprägten Jahres 2024 weiterhin resilient. Die aktuelle EY-Analyse der Solvency II-Kennzahlen belegt: Alle 32 heimischen Versicherungsunternehmen erfüllen die europäischen Kapitalanforderungen mit deutlichem Abstand. Die durchschnittliche Solvenzkapitalquote (SCR-Quote, Solvency Capital Requirement-Quote) erreichte 255,4 Prozent und liegt damit mehr als zweieinhalb Mal über dem regulatorisch geforderten Minimum. Mit der EU-Richtlinie Solvency II soll die Solvenz der Versicherer transparenter gemacht und Versicherungsnehmer:innen eine bessere Entscheidungsgrundlage geboten werden. Die Solvabilitätsquote ist dafür die maßgebliche Kennzahl, die sich aus dem Verhältnis der vorhandenen Eigenmittel zum benötigten Risikokapital ergibt. Die höchste Quote erzielte wie bereits im Vorjahr die Vienna Insurance Group AG (398 %), dahinter befindet sich die Wüstenrot Versicherungs-AG mit 350 Prozent auf Rang zwei, auf Platz drei folgt dicht dahinter die Allianz Elementar Versicherungs-AG (344 %).
„Besonders bemerkenswert ist die Qualität der Eigenmittelausstattung: Über 96 Prozent der verfügbaren Eigenmittel sind als Tier 1-Kapital klassifiziert und haben damit die höchste regulatorische Qualitätsstufe. Nicht nur die SCR-Quote, sondern auch die Mindestkapitalanforderung (MCR-Quote, Minimum Capital Requirement-Quote) wird von den österreichischen Versicherern deutlich erfüllt.“ erklärt Christopher Grocholski, Anerkannter Aktuar der AVÖ und Senior Manager im Bereich Financial Services bei EY Österreich, die Bedeutung dieser Kennzahlen.
Die umfassende Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsorganisation EY analysierte die veröffentlichten Solvency and Financial Condition Reports (SFCR) aller österreichischen Versicherungsunternehmen für das Geschäftsjahr 2024.
Prämienexpansion übertrifft Inflationsrate deutlich
Ein zentrales Merkmal des Geschäftsjahres 2024 war das kräftige Prämienwachstum von 5,5 Prozent, das die Inflationsrate von 2,9 Prozent deutlich überstieg. Das Gesamtprämienvolumen erreichte 23,15 Milliarden Euro, was einem Zuwachs von über 1,2 Milliarden Euro entspricht. Vor allem die Sparten „Sonstige Kraftfahrtversicherung“ mit plus 10,7 Prozent sowie „Rechtschutzversicherung“ mit plus 6,8 Prozent konnten ein über-durchschnittliches Wachstum erzielen. Besonders dynamisch entwickelte sich auch der Krankenversicherungssektor mit einem Zuwachs von 10,7 Prozent auf 3,17 Milliarden Euro, unter anderem bedingt durch die jährlichen Prämienanpassungen.
„Das überdurchschnittliche Prämienwachstum zeigt die Relevanz von Versicherungsschutz in unsicheren Zeiten. Besonders erfreulich ist die Trendwende in der Lebensversicherung, die nach Jahren der Stagnation wieder Vertrauen bei den Kund:innen gewinnt“, kommentiert Grocholski.
Die Lebensversicherung verzeichnete mit 1,3 Prozent Wachstum auf 5,14 Milliarden Euro eine merkliche Trendwende nach mehreren Jahren rückläufiger Entwicklung – das stärkste Wachstum in diesem Segment seit fünf Jahren. Der Non-Life-Bereich, der mit 14,84 Milliarden Euro weiterhin das größte Marktsegment darstellt, wuchs um 5,9 Prozent.
Naturkatastrophenjahr fordert Tribut – Rekordwerte bei Schadenbelastung
Die außergewöhnliche Häufung von Extremwetterereignissen hinterließ deutliche Spuren in der Schadensbilanz. Die Combined Ratio – ein Schlüsselindikator für die Profitabilität im Sachversicherungsgeschäft – verschlechterte sich von 92,9 auf 98,2 Prozent. Besonders die Sparte „Feuer und sonstige Sachversicherung“ hat sich im Mittelwert verschlechtert und liegt im Jahr 2024 bei 103,8 Prozent (Vorjahr: 88,3 %).
Interessant ist die Entwicklung in der Kfz-Versicherung: Während die Kfz-Haftpflichtversicherung eine Verbesserung von 81,8 auf 79,3 Prozent verzeichnete, sank auch die „Sonstige Kraftfahrtversicherung“ (Kasko) mit 99,9 Prozent im Schnitt wieder unter die 100 Prozent-Marke. Trotz der Naturkatastrophenbelastung und erhöhten Inflation der letzten Jahre zeigen diese Zahlen der Motorsparten eine stabilere Lage als im Vorjahr.
„Die Klimaveränderung manifestiert sich zunehmend in der Schadenstatistik unserer Versicherer. Gleichzeitig zeigt die robuste Kapitalausstattung der Branche, dass sie auch für solche Extremjahre gut gerüstet ist“, so Karin Unterberger, Anerkannte Aktuarin der AVÖ und Senior Managerin im Bereich Financial Services bei EY Österreich.
Starke Kapitalbasis: 133,7 Milliarden Euro Assets und Rekord-Solvenzquoten
Die österreichischen Versicherer verwalten ein Gesamtvermögen von 133,66 Milliarden Euro, was einem moderaten Anstieg von 1,6 Prozent entspricht. Den größten Anteil bilden dabei klassische Investments mit 75,1 Prozent (100,36 Milliarden Euro), gefolgt von Assets der fonds- und indexgebundenen Lebensversicherung mit 13,2 Prozent (17,6 Milliarden Euro).
Innerhalb der Kapitalanlagen dominieren Bonds mit 29,4 Prozent und Beteiligungen mit 21,3 Prozent. Diese Struktur erklärt auch, warum das Marktrisiko mit einem Anteil von 60,2 Prozent am Basic Solvency Capital Requirement (BSCR) die dominante Risikokategorie bleibt. Innerhalb des Marktrisikos gewann das Aktienrisiko mit 37,8 Prozent (Vorjahr: 35,8 %) weiter an Bedeutung, während das Spreadrisiko mit 30,8 Prozent und das Immobilienrisiko mit 27,8 Prozent die weiteren Hauptrisikotreiber darstellen.
Nicht nur die SCR-Quote, sondern auch die MCR-Quote wird von den österreichischen Versicherern deutlich erfüllt. Im Durchschnitt erreichen die Unternehmen 826,4 Prozent der MCR-Anforderung, wobei die Spanne von 369 bis zu beeindruckenden 1.474 Prozent reicht.
Internationale Spitzenposition trotz europäischer Marktvolatilität
Der europäische Vergleich basierend auf EIOPA-Daten zum vierten Quartal 2024 unterstreicht die Stärke des österreichischen Versicherungsmarktes in einem herausfordernden Umfeld. Während die europäischen Lebensversicherer im Median einen Rückgang ihrer SCR-Quoten von 238,8 auf 216,0 Prozent verzeichneten, konnten sich die heimischen Lebensversicherer mit einer medianen SCR-Quote von 243,3 Prozent deutlich besser behaupten.
Bei den Schaden- und Unfallversicherern zeigt sich ein ähnliches Bild: Österreich liegt mit 261,0 Prozent klar über dem europäischen Median von 213,5 Prozent. Diese Zahlen belegen eindrucksvoll die Qualität des österreichischen Versicherungsstandorts und die erfolgreiche Positionierung als verlässlicher Partner im internationalen Wettbewerb.
Regulatorische Weichenstellungen für die Zukunft
Mit dem Solvency II Review stehen der Branche ab 2027 weitere regulatorische Anpassungen bevor. Die im Januar 2025 veröffentlichte überarbeitete Richtlinie wird insbesondere Auswirkungen auf die Bewertung der risikofreien Zinskurve, die Volatilitätsanpassung und verschiedene Risikomodule haben. 72 Prozent der österreichischen Versicherer verwenden derzeit die Standardformel, während 16 Prozent auf partielle interne Modelle und zwölf Prozent auf vollumfängliche interne Modelle setzen.
„Der Solvency II Review wird die Solvenzsituation und die regulatorische Landschaft der Versicherungsunternehmen beeinflussen. Wichtig ist, dass sich die Unternehmen bereits jetzt strategisch auf die neuen Anforderungen vorbereiten, um auch künftig ihre starke Marktposition behaupten zu können", meint Unterberger abschließend.